Weshalb viele Ehen scheitern

Ein weißer Umschlag mit rosa Schleife und zwei goldenen Eheringen liegt auf einem Holztisch.
Wenn es in Beziehungen kriselt, hat das hat oft auch mit falschen Erwartungen zu tun.

Beim Verein "Frauen beraten Frauen" werden an die 10.000 Beratungen pro Jahr durchgeführt – persönlich, online, telefonisch. Eines der zentralen Anliegen sind Beziehungsprobleme. Die Philosophin und psychosoziale Beraterin Bettina Zehetner erzählt aus der Praxis.

Eine lächelnde Frau mit braunen Haaren und einer lila Jacke vor einem weißen Hintergrund.
Bettina Zehetner

KURIER: Welche sind die häufigsten Anliegen?

Bettina Zehetner: Das sind immer noch Beziehungskonflikte und Trennungen, das hat sich seit 1980 nicht geändert. Und hat viel damit zu tun, dass Frauen sich immer noch sehr über Beziehungen definieren. Daraus ergeben sich dann auch viele andere Folgeanliegen wie Arbeitssuche, Neuorientierung, Depressionen, Ängste, Einsamkeit und Selbstwert.

Und welche sind die größten Ängste, mit denen Sie konfrontiert werden?

Existenzängste, weil in der Aufteilung der bezahlten und der unbezahlten Arbeit nach wie vor Frauen den größten Teil der unbezahlten Arbeit leisten. Da geht es darum, wie es nach einer Trennung finanziell weitergeht. Außerdem ist die Angst vor Einsamkeit groß, weil oft das soziale Netz verloren gegangen ist. Die Fokussierung auf Beziehung und auf Familie ist eine Falle. Manchmal ist Scham der Grund, weshalb Frauen niemanden mehr treffen, weil sie erzählen müssten, wie es wirklich aussieht. Das Erhalten der Fassade ist ein großes Thema.

Warum tun sie das, es kostet ja Kraft?

Wie Beziehungen aufgefasst werden, ist immer noch sehr unterschiedlich. Polemisch formuliert: Männer haben eher die Tendenz, die Frau als Egoverstärkung zu sehen. Das ist eine Art der Trophäe, später richtet sie das Nest her. Frauen haben viel eher die Idee von Harmonie: Wir sind ein Ganzes, ein Team, das miteinander und füreinander lebt.

Wie viel sind Frauen bereit, dafür zu tun?

Zu viel. Ich glaube, dass Dulden immer noch ein sehr weiblicher Wert ist. Dieses Ertragen und Durchhalten. In der Hoffnung, irgendwann wird sich diese Harmonie herstellen. Gerade diese illusorische Hoffnung verhindert aber oft eine reale Veränderung.

Tragen Frauen immer noch eine Art Prinzessinnenbild in sich?

So würde ich es nicht nennen, aber das Karriereziel "Ehefrau und Mutter" existiert. Das ist mehr geworden. Vielleicht durch die wirtschaftliche Unsicherheit, weil es schwieriger geworden ist, am Arbeitsmarkt einzusteigen und gute Karriereaussichten zu haben. Die Medien forcieren das auch. Mit Formaten wie "The Bachelor" oder "Germanys next Top Model", die die Frau als Objekt darstellen, das sich durch Arbeit am Körper begehrenswert zurichten muss. Das ist ein Backlash, der leider wirkt.

Aber Karriere stand doch auf der Wunschliste vieler Frauen ganz oben?

Mädchen werden nach wie vor als Leistungssubjekte angesprochen – sie sollen eine gute Ausbildung und einen tollen Job haben. Aber die traditionellen Rollenbilder wirken trotzdem weiter. Es ist jedoch unmöglich, alles gleichzeitig zu erreichen und allen einander widersprechenden Anforderungen zu entsprechen. Darum die starke Ermüdung bei vielen Frauen.

Warum scheitern Ehen so häufig?

Ich habe den Eindruck, dass sehr oft sehr unterschiedliche Vorstellungen von Beziehung herrschen und dass da viel zu wenig darüber geredet wurde. In der ersten Verliebtheit wird viel zugedeckt oder es werden andere Bilder präsentiert. Man hat das Gefühl, das passt wunderbar und das, was nicht passt, wird schon noch. Eigentlich ginge es darum, eigene Lebensentwürfe anzuschauen, um zu wissen, wie man sich das Zusammenleben konkret vorstellt. Das ist vielleicht nicht so romantisch, aber wichtig. Etwa wer daheim bleibt, um Kinder zu betreuen. Sich das nicht gemeinsam anzusehen, ist recht blauäugig.

Was müsste passieren, damit sich das ändert?

Eine altmodische Maßnahme wäre eine verpflichtende Beratung vor der Ehe: Was sind meine Rechte und Pflichten? Es klingt immer so freiheitsraubend, aber aus der Erfahrung der Beratung wäre es absolut sinnvoll, dass beide wissen, worauf sie sich da einlassen. Es wäre nicht schlecht zu wissen, was es heißt, eine Ehe einzugehen.

Fünf Dinge, die Sie Menschen mit Heiratsabsichten raten würden, bevor Sie sich "ewig" binden?

Es ist hilfreich, wenn jedem bewusst ist, was für sie oder ihn ein gelungenes glückliches Leben ist. Dann würde ich fragen: Was ist für mich eine glückliche Beziehung? Sobald ich da Klarheit habe, kann ich eher mit dem anderen darüber reden. Eine Falle ist, keine klaren Vorstellungen zu haben, Motto: Der andere wird’s schon wissen. Optimal wäre, dass beide wissen, was sie wollen. Dann kann jeder schauen, ob das zusammenpasst. Man muss sich über pragmatische Themen Gedanken machen, etwa wie ich Arbeit, Familie und Partnerschaft vereinbaren werde. Darüber sollten auch Männer nachdenken, nicht nur Frauen. Generell ist es wichtig, zu erforschen, welche Form von Beziehung für mich passt. Wie viel Nähe, Distanz oder Freiheit ich brauche – abseits von dem, was allgemein an Bildern vorgegeben wird.

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