Ö3-Jugendstudie 2023: Die Revolution ist abgesagt

Girls
Am Dienstag präsentierte der Radiosender die wichtigsten Ergebnisse seiner Befragung von Jugendlichen.

Sicherheit, Sinn und Vereinbarkeit stehen ganz oben auf der Liste jener Rahmenbedingungen, die sich die Generation Z für ihr Berufsleben wünscht: Ein sicherer Arbeitsplatz ist für drei Viertel (76 Prozent) sehr wichtig, ebenso viele (75 Prozent) wollen jedenfalls etwas Sinnvolles tun. Neben der Arbeit soll außerdem genug Zeit für andere wichtige Dinge bleiben (66 Prozent).

Daher sind auch flexible, an die jeweiligen Lebensumstände anpassbare Arbeitszeiten für die Mehrzahl der jungen Menschen unerlässlich (59 Prozent). Im Gegensatz dazu sind ein von Sicherheit und Sinn abgekoppeltes Viel-Leisten oder ein hohes Einkommen weniger relevant (für 29 Prozent bzw. 38 Prozent sehr wichtig).

Arbeiten? Natürlich – aber so, wie ich es will

Geht es um die Anpassung des Arbeits- an das Privatleben ist sich die GenZ tatsächlich einig: Vereinbarkeit ist in ihren Vorstellungen von "wie soll Arbeit" ganz weit oben. Neben flexiblen Arbeitszeiten umfasst dies auch die Vier-Tage-Woche, rund zwei Drittel der jungen Menschen sprechen sich dafür aus. Anpassung ist jedoch keine Einbahnstraße: Für etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) der GenZ ist es völlig in Ordnung, in der Nacht, am Wochenende oder an Feiertagen zu arbeiten, wenn ihr Beruf dies erfordert.

Weitere 28 Prozent sind von solchen Arbeitszeiten zwar nicht begeistert, für ihren Traumberuf würden sie diese aber in Kauf nehmen.

Digitalisierung? Nicht ohne mein Smartphone

Treten ihre Großeltern den Gang zur Toilette noch mit der Zeitung an, nehmen 8 von 10 jungen Menschen ihr Handy mit aufs Klo. Dass Digitalisierung inzwischen sämtliche Lebensbereiche betrifft, sieht die überwiegende Mehrzahl (72 Prozent) der GenZ positiv: Vieles wird dadurch einfacher und digitale Gadgets sind unverzichtbarer Teil bzw. Ausdruck eines smarten Lebensgefühls.

Im Gegensatz dazu stehen für knapp drei von zehn (28 Prozent) die negativen Seiten der Digitalisierung im Vordergrund – sie betonen die zunehmende Komplexität und Vereinsamung.

Die Schule? Lernt am Leben vorbei

Apropos: Umbrüche unserer Lebens- und Arbeitswelten: Da braucht es aus Sicht der GenZ auch eine andere Schule: 69 Prozent von ihnen denken, dass sowohl die Lehrpläne als auch die Art des Lernens den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. In jedem einzelnen Kopf jenes Wissen zu sammeln, das auch jederzeit online verfügbar ist, hat für die GenZ kaum Mehrwert.

Gerade weil alle Arten von Informationen ständig verfügbar sind, sollte vielmehr gelernt werden, wie diese zu bewerten sind und wie relevante Zusammenhänge erkannt werden können.

Beziehungen? Traditionell – mit vielfältigerem Mindset

In der GenZ sind die unterschiedlichen Arten zu sein oder zu leben angekommen: Dass zum Beispiel sexuelle Orientierungen und Geschlechteridentitäten frei gelebt werden können, steht für die überwiegende Mehrzahl der jungen Menschen (84 Prozent) außer Frage.

Ausgehend von einer neuen Vielfalt fallen ihre Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft dann aber eher traditionell aus: Zwei Drittel wollen heiraten, für 62 Prozent sind Kinder Teil eines gelungenen Lebens und rund die Hälfte denkt, dass Mütter, die kurz nach der Geburt wieder arbeiten gehen, eine Ausnahme bleiben sollten.

Die große Revolution bleibt aus

Weit oben auf der Liste jener Themen, bei welchen die GenZ dringenden Handlungsbedarf sieht, steht der Klimawandel (77 Prozent). Beinahe ebenso weit verbreitet ist die sich daraus ergebende Forderung an die Politik, endlich Regeln für nachhaltige Veränderungen festzulegen (68 Prozent). Solange dies nicht passiert, bleibt allerdings auch in der GenZ einiges beim Alten: Neun von zehn wünschen sich ein Eigenheim, zwei Drittel wollen einen Benziner kaufen und 62 Prozent sprechen sich gegen weitere Geschwindigkeitsbeschränkungen aus.

Muss sich die GenZ zwischen political correctness sowie wokeness auf der einen und cancel culture auf der anderen Seite entscheiden, spricht sich rund die Hälfte für eine inklusive Sprache und ein engagiertes Auftreten gegen Diskriminierung aus. Die andere Hälfte betont, dass anderen nicht vorgeschrieben werden sollte, was sie sagen und tun sollen.

Politikverdrossen? Nein, aber

Anteil am Geschehen in der Welt zu nehmen, ist für die GenZ selbstverständlich: 84 Prozent von ihnen verfolgen die aktuellen Nachrichten, um informiert zu bleiben und um sich eine eigene Meinung zu bilden. Etwas enger gefasst, interessieren sich zwei Drittel der jungen Menschen auch für Politik und politische Prozesse.

Das ist ein beträchtlicher Anteil, denn die Distanz zwischen der GenZ und der Politik ist groß: Von der Politik vertreten fühlen sich nur 15 Prozent. Zu wenig gehört fühlt sich die GenZ auch von den älteren Generationen: Nur 29 Prozent der jungen Menschen denken, dass die Älteren für ihre Meinungen und Lösungsansätze aufgeschlossen sind. 

Die GenZ möchte vieles verändern

Nach Jahren der multiplen Krisenerfahrungen und fehlenden Planbarkeit handelt die GenZ bedürfnisorientiert und pragmatisch. Sicherheit, Klarheit und Sinn im eigenen Leben stehen weit vorne, der "Traum von einer besseren Welt" bestimmt nicht das alltägliche Handeln.

Dieser Fokus auf das eigene Leben ist jedoch kein purer Egoismus, sondern ein Erkennen des eigenen Wertes und der eigenen Werte – und eben diese eröffnen auch Spielraum für gesamtgesellschaftliche Weiterentwicklung.

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