Psychologie: Laufen Sie anderen auch hinterher, ohne selbst zu schauen?

Woman running to catch the train
Kennen Sie Social Proofing? Warum selbst diejenigen, die bei Rot stehen bleiben würden, losgehen, wenn andere losmarschieren.

Alles ist im Lot an diesem Morgen auf dem Weg zur Arbeit, da hört man in der Ferne dieses typische Rumpeln einer einfahrenden U-Bahn. Ein Impuls keimt auf, um sie zu erreichen, müsste man jetzt! Loslaufen! Nein, danke, denkt man noch. Doch rundum hat das große Rennen begonnen, und man selbst – ist mittendrin. Dasselbe an der roten Ampel. Eben noch standen alle da und warteten brav, dann ein Ruck in der Menge, als ob jemand unsichtbar „Los!“ gerufen hätte. Und ja, Sie wissen schon, wie es weitergeht.
Was passiert da Seltsames mit uns Menschen? Es sei eine Art soziales Ur-Programm, das abgespult wird, erklärt Psychologe Johannes Achammer: „Wir wollen stets unsere Gruppenzugehörigkeit zeigen und orientieren uns dafür permanent an anderen. Wenn alle anfangen zu laufen, laufen wir eben auch. Die Mehrheit kann ja nicht falsch liegen, denken wir.“ 

Social Proofing nennt man das. Dabei habe im Beispiel mit der U-Bahn jeder Mensch ein individuelles Interesse – „er will einfach von A nach B“, so der Psychologe. Doch im Alltag, vollgestopft mit Informationen, vereinfachen wir Entscheidungen, indem wir uns am Verhalten der Masse orientieren, das entlastet unser Gehirn, es liebt Automatisierungen. 
Technologie verschärfe das noch, so Achammer. Wir starren aufs Handy, sind abgelenkt, hören Musik. Dabei schrumpfe unsere Wahrnehmung  so sehr, dass ein Impuls schon reicht, um uns mitziehen zu lassen. Und, so der Psychologe: „Früher war das Überleben in der Gruppe angelegt. Heute geben wir im Kollektiv ein Stück unserer Identität ab, um uns anzupassen. Selbst wer eigentlich bei Rot stehen bleiben will, geht manchmal mit, wenn andere losmarschieren. Das kann man täglich beobachten – und es funktioniert in kleineren wie in größeren Gruppen.“
Ein Tipp, um sich nicht ständig mitreißen zu lassen? „Entschleunigung. Einfach mal bewusst stehen bleiben, Handy weglegen, und wahrnehmen, was um einen passiert.“ Denn Pausen helfen, auf sich selbst zu hören und wieder selbst zu entscheiden – ob man jemandem hinterherrennt oder nicht.
 

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