Der Windsor-Zwist beschäftigt Unbeteiligte auch deshalb, weil Konflikte in allen Familien – adelig oder nicht – nach ähnlichen Mustern ablaufen. Jemand fühlt sich ungerecht behandelt, missverstanden, nicht wertgeschätzt oder sehnt sich – wie im Fall von Harry und Meghan – nach mehr Eigenständigkeit. „In jeder Familie gibt es Autonomisierungstendenzen oder Wünsche, die zu Konflikten führen können“, weiß die Familientherapeutin Sabine Schwarz. „Wenn die eigenen Bedürfnisse denen des Familienverbands widersprechen oder diesen gefährden, kann es zu Brüchen kommen.“
Stirbt ein Familienmitglied, möglicherweise sogar jene Person, die die Verwandtschaft zusammenhielt, werden die Emotionen neu gemischt. Die Trauer kann Entfremdete zusammenschweißen, frühere Streitereien profan erscheinen lassen. Im Falle von William und Harry könnten Erinnerungen an den September vor 25 Jahren aufkommen, als sie einander über den Tod ihrer Mutter Diana hinweghalfen.
„Ein Todesfall in der Familie kann sowohl eine Versöhnung als auch weitere Zerwürfnisse auslösen“, erklärt die Therapeutin. „Es kommt darauf an, wie die einzelnen Akteure dieses Ergebnis einordnen, ob es als Chance zur Konfliktlösung gesehen werden kann oder die eigene Kränkung noch größer macht.“
Damit eine Versöhnung gelingt, müssen alle Beteiligten daran interessiert sein, sich mit dem Konflikt auseinanderzusetzen. Wer auf wen zugeht, ist dafür nicht ausschlaggebend, sagt Schwarz. „Im Idealfall ist ein Gespräch möglich, in dem die unterschiedlichen Gefühle, Meinungen und Wünsche ausgetauscht werden können.“ Oft braucht es dafür eine überparteiliche Mediatorin oder Familientherapeutin, die das Gespräch moderiert. „Wenn der Fokus auf aktives Zuhören und bemühtes Verstehen gelegt wird und weniger darauf, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, ist das für eine Konfliktlösung sicher hilfreich.“
Apropos Kommunikation: Vorwurfsvolle „Du-Botschaften“ sollte man vermeiden, weil sie beim Gegenüber eine Verteidigungsreaktion erzeugen. „Sinnvoller ist es, in Ich-Botschaften zu erklären, was durch den Konflikt in einem selbst ausgelöst wurde und mit welcher Verletzung man zu kämpfen hat.“
Manchmal sind die Fronten so verhärtet, dass selbst im Trauerfall nichts mehr hilft. Keine Versöhnung bis zuletzt gab es etwa in der deutschen Politikerfamilie Kohl: Beide Söhne schrieben Bücher über das schlechte Verhältnis zu ihrem Vater Helmut, dem Ex-Bundeskanzler, und erschienen am Ende nicht einmal zu dessen Begräbnis.
Davon kann in London derzeit keine Rede sein. Nachdem Herzogin Meghan in ihrem Podcast klagte, Harry habe „seinen Vater verloren“, betonte dieser in seiner ersten Rede als König seine Liebe zu den beiden. William bat seinen Bruder als Zeichen des Friedens, mit ihm gemeinsam die Blumen vor Schloss Windsor zu begutachten.
Vereint werden die Brüder auch am Montag auftreten, wenn sie ihrer Oma endgültig Lebewohl sagen. Dass die Versöhnung hinter den Palastmauern weiter voranschreitet, wäre wohl ganz in ihrem Sinne.
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