Wie ein Mammut geschmeckt hat und was Jesus gegessen hat
Die Jagd eines Mammuts erforderte vor 13.000 Jahren Planung, Ortskenntnis und viel Geduld. Wie die prähistorische Clovis-Kultur das Fleisch zubereitet hat, kann die deutsche Autorin Uta Seeburg leider nicht beantworten. Aber anhand von 50 Geschichten erzählt sie humorvoll unsere Esskultur nach. Im KURIER-Interview verrät Seeburg, dass das erste Brot voller Spelzen war und dass Jesus beim letzten Abendmahl wohl Lammfleisch und Hülsenfrüchte gegessen hat.
KURIER: Welches Gericht mussten Sie weglassen?
Uta Seeburg: Eine spannende Frage, tatsächlich habe ich noch einige Themen mehr recherchiert, aber am Ende fehlte mir der Platz: das erste Genfood etwa habe ich denn doch wieder gestrichen, auch die Frage, ob es eine Fernwehküche in der DDR gab. Und zu meinem besonderen Leidwesen konnte ich das Wiener Schnitzel nicht mehr unterbringen!
Nach Ihren Recherchen stimmen Sie sicher nicht zu, dass sich unser Leben erst seit dem Hedonismus oder Instagram um Essen dreht?
Absolut! Das menschliche Leben dreht sich vielmehr seit jeher ums Essen, denn es ist das einzige existenzielle Bedürfnis, zusammen mit dem Trinken, das nach einer ständigen Beschaffung der Lebensmittel verlangt – anders als etwa das Atmen, Luft ist eben einfach da. Dank Konserven, moderner Kühlung und globalem Handel muss der Mensch heute weit weniger Zeit auf die Sorge verwenden, dass er verhungern könnte. Ganz anders als etwa der Mensch im Neolithikum.
Wenn wir an die reich gedeckten Tafeln der Könige denken, stellen wir uns lukullische Feste vor. Stand der Geschmack im Vordergrund?
In der höfischen Küche dieser Zeit wurde auf für uns unvorstellbare Weise geprotzt. Der Geschmack war dabei zweitrangig. Beim sogenannten Schaugericht ging es rein um den visuellen Genuss, die spektakuläre Inszenierung – zum Beispiel eines Schwans, der gebraten und dann wieder komplett in sein mit Gold geschmücktes Federkleid gesteckt und so aufgetragen wurde. Schwanenfleisch ist allerdings nicht besonders schmackhaft. Viele Gerichte, die bei solchen Banketten in Schlössern gereicht wurden, waren zudem meist kalt, weil sich die Küche in der Regel wegen Brandgefahr am anderen Ende des Gebäudes befand. Essen ist hier Demonstration von Macht.
Wie haben Mammut, das erste Brot oder babylonischer Lammeintopf geschmeckt?
Wie ein Mammut wirklich geschmeckt hat, wissen wir aus den offensichtlichen Gründen nicht, aber vielleicht werden wir es in der Zukunft dank in-vitro-Fleisch ja erfahren. Das erste Brot jedenfalls war hart, das Mehl voller Spelzen, die schmerzhafte Verletzungen im Mundraum verursachten. Den babylonischen Eintopf gibt es, zumindest so in der Art, noch heute im Irak und er schmeckt sehr gut.
11.000 v. Chr.
Gegrilltes Mammut, Nordamerika
5.500 v. Chr.
Getreidebrei und Einkornbrot, Mitteleuropa
1.730 v. Chr.
Lammeintopf mit Gerstenkuchen, Babylonien
1150
Heilsuppe mit Suppengemüse, Heiliges Römisches Reich
1651
Buttersauce, Frankreich
Haben Sie alte Rezepte zu Hause auch nachgekocht?
Kaum, auch deswegen, weil es viele wichtige Zutaten heute gar nicht mehr gibt – wie der beißend schmeckende Lasersaft, gewonnen aus der Silphiumpflanze, den man in der antiken römischen Küche massenhaft in die eh schon überwürzten Gerichte gab. Dieses Kraut verwendeten die Römer so gerne, dass sie es auch gleich ausgerottet haben. Auch wird das Wasser aus der antiken Zisterne weit brackiger geschmeckt haben als unser heutiges Trinkwasser. Den "originalen" Geschmack da nachzubilden wäre also recht kompliziert.
Sind Sie zufrieden mit der kulinarischen Epoche, in der wir jetzt leben oder würden Sie gerne in die Vergangenheit zurückreisen?
Was Vielfalt und Hygiene anbelangt, können wir doch heute nicht klagen. Allerdings würde ich gern für einen Abend ins 17. Jahrhundert reisen und mich von François-Pierre de La Varenne, dem Urvater der französischen Küche, bekochen lassen.
Interessant ist, wie sich der Geschmack über die Jahrtausende verändert: Ich denke daran, wie einst genüsslich in eine in Honig gegarte Zwiebel gebissen wurde.
Ich finde jetzt nicht, dass das so schlecht klingt! Aber es stimmt, gerade in Europa hat sich ein deutlicher Geschmackswechsel vollzogen, von einer extrem gewürzten Küche hin zu Gerichten, die auf mildere Aromen setzen und den Eigengeschmack des Produkts in den Vordergrund rücken. Für diesen krassen Bruch gibt es keine eindeutige Erklärung außer vielleicht der, dass Gewürze nach dem Ende des Mittelalters günstiger wurden und damit ihre Funktion als Statussymbol verloren.
Das folgenreichste Abendessen der gesamten christlichen Welt ereignete sich an einem frühlingshaften Abend im römisch besetzten Jerusalem: Wenn wir an das Bild vom Letzten Abendmahl denken, fragt man sich, was sich in der Schüssel am Tisch befand?
Da das Letzte Abendmahl kurz vorm Passahfest stattfand, wird sich auch ein Lammbraten auf dem Tisch befunden haben. Was aber in der Schüssel ist, in die Jesus und Judas gleichzeitig ihre Hand tauchen, verrät die Bibel nicht, wahrscheinlich wäre aber ein einfaches vegetarisches Gericht aus Hülsenfrüchten, vielleicht geköchelt mit Zwiebeln, Olivenöl und Granatapfelsaft.
Fitness-Getränk, Anti-Aging oder Heilsuppe: Waren Sie überrascht, wie sich bestimmte Trends durch Jahrhunderte ziehen?
Eigentlich nicht. Der Mensch isst schließlich jeden Tag und merkt, was ihm guttut und was nicht. Da liegt es doch auf der Hand, wie zum Beispiel im Mittelalter, mit den heilenden Kräften von Kräutern zu experimentieren und daraus Rezepte zu entwickeln. Ob alles, was da so erdacht wurde, auch wirklich sinnvoll war, ist eine andere Frage. Ich sag nur: Zahnreinigung mit Zucker oder Wundheilung durch fetten Speck.
Auch Wohnküchen sind Trend – sie sind der Lebensmittelpunkt jeder Wohnung. Keine Neuerfindung, oder?
Genau, die Feuerstelle war immer schon das warme Herz des Hauses, seitdem der Mensch sesshaft geworden ist. Und sitzt man nicht auch am liebsten dort, wo gerade ein schmackhaftes Essen zubereitet wird?
Sie haben Wien und dem Kult um den Mokka ein Kapitel gewidmet: Wird Kaffee je aus der Mode kommen?
Eins meiner liebsten Kapitel, ich liebe die Wiener Kaffeehauskultur! Und diese Gefahr sehe ich nicht, bei all dem liebevollen Barista-Kult, der bis heute betrieben wird. Außerdem hat Kaffee die Menschheit erwiesenermaßen produktiver und wacher gemacht, es wäre doch fatal darauf zu verzichten.
Buch-Tipp: Wie ist man ein Mammut?, Uta Seeburg, Dumont Verlag
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