Warum Würstel – ob in der Suppe wie in Tirol und Salzburg oder als Bratwürstel in Oberösterreich – am Heiligen Abend aufgetischt werden, hängt mit dem bäuerlichen Leben in früheren Zeiten zusammen. "Traditionell hat man die Tiere in den kalten Monaten geschlachtet. Weil bis Weihnachten Fastenzeit war, gab es die frisch gemachten Würstel, nicht gerade die feinsten Fleischteile, dann als Festessen."
In der Kindheit von Haubenkoch Alexander Fankhauser (bekannt aus „Andi und Alex“) gab es zu Mittag sättigende Zillertaler Krapfen – ein einfacher Teig aus Mehl und Wasser, der mit Kartoffeln, Käse oder auch Topfen gefüllt wird. "Am Heiligen Abend gab es dann die Würstelsuppe: Aus einer Rindsuppe mit Frankfurter oder festen, hellen Kalbswürsteln sowie Fadennudeln. Wurzelgemüse wie Karotten darf in die Suppe kommen, muss aber nicht."
Ostern war in den ersten drei Jahrhunderten das einzige Jahresfest der Christen: Erst gegen Ende des 5. Jahrhunderts wurde nach dem Vorbild der österlichen Fastenzeit auch eine Bußzeit vor Weihnachten eingeführt, die ursprünglich am 11. November – nach dem Verzehr der Martinsgans – begann. Später wurde dann die Fastenzeit auf vier Wochen verkürzt. Auch der 24. Dezember war ein strenger Fasttag, der sich in einfachen Gerichten wie dem Sterz, der Krapfen oder der Würstel widerspiegelt.
Haubenkoch Helmut Österreicher erinnert sich an seine Kindheit im Waldviertel: "Bis Mittag haben wir gar nichts gegessen, dann nur eine Kleinigkeit direkt aus dem Kühlschrank heraus. Am Abend gab es dann einen gebackenen Karpfen, der wie ein Hufeisen geschnitten und paniert war: Heute macht man das aus gutem Grund nicht mehr so – und auch wir haben die Gräten nicht gewollt. Dazu gab es einen Erdäpfelsalat."
Tipp vom ehemaligen KURIER-Kochkolumnisten für die Zubereitung: "Bei guter Fisch-Qualität würde ich den Karpfen so einfach wie möglich zubereiten: nur schröpfen und auf einer Seite in etwas Brösel wälzen und kross braten."
Die Fastenzeit ist der Grund, warum im Osten der Karpfen in großen Mengen verfügbar war: Der Fisch war in ganz Europa ein wichtiger Bestandteil der Esskultur im Mittelalter – die Zuchtform des Karpfens eignet sich besonders gut für Teiche. "Klöster und Adelige setzten auf Teichwirtschaften, um gezielt Süßwasserfische für die Fastenzeit heranzuziehen. Das erklärt, warum der Karpfen in Gegenden wie dem Waldviertel, wo es Stifte gab und noch immer gibt, zu den traditionellen Weihnachtsgerichten gehörte", erklärt Sluga.
Gefüttert wurden Karpfen übrigens oft mit Gänsemist: Bereits im Mittelalter waren Landgänse – Nachkommen der Graugänse – wegen ihrer Federn und des Fleisches eine beliebte Geflügelart auf Bauernhöfen. Auf den Weiden und rund um Lacken wie im Seewinkel und in den angrenzenden Gebieten Westungarns fühlten sich die gefiederten Freunde wohl. Im 18. Jahrhundert belieferten vor allem das Nord- und Mittelburgenland (damals Deutsch-Westungarn) die Stadt Wien mit Gänsen.
Wenn es also Karpfen am Heiligen Abend gab, fand das eigentliche Festessen erst am Christtag und Stefanitag statt. Sluga: "Das erklärt auch das Auftischen von Geflügel als Festtags-Gericht, das mit seinem hohen Fettgehalt etwas ganz Besonderes nach dem Fasten war."
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