Wer Äpfel nur einfach im Supermarkt kauft, merkt von diesen Unterschieden und Mikrosaisonen natürlich nichts. Wie man dabei auch nicht die Unterschiede zwischen den Sorten wahrnehmen kann, denn die gängigen Sorten schmecken alle irgendwie gleich.
Gerade hat das Steirereck am Stadtpark ein Gericht aus Tigerforelle, Rosenapfel und gelber Rübe auf der Karte. Würde Reitbauer das auch zubereiten, wenn der Rosenapfel, der mit frischer Säure und einem leichten Rosen-Parfum bezirzt, keine Saison hat? „Man müsste nach einer anderen Sorte suchen, aber eigentlich ist es ein Wintergericht.“
Getrocknet, als Kompott, geschmort und fermentiert, in diesen Aggregatszuständen zubereitet, bekamen die Teilnehmer eines Koch.Campus (Köche, Produzenten, Landwirte) im Steirereck am Pogusch kürzlich mehrere Dutzend Apfelsorten zu kosten – und die schmeckbaren Unterschiede waren sogar für Laien beträchtlich. Da schmeckt der Lavanttaler Bananenapfel nach Banane, die Holzbirne nach Kalmus und der Rosenapfel verströmt den Duft von Rosen. Beim Koch.Campus wurden hundertsechzig Sorten präsentiert.
Zweitausend alte Apfelsorten habe es einmal in der Steiermark gegeben. Mittlerweile sind es noch achthundert, erzählt der steirische Streu-Obstexperte Alois Wilfling. Er hat mit Stefanie Schuster das Projekt „Eva und Adam“ gegründet, recherchierte bei Obstbauern in der Steiermark und darüber hinaus, ließ sich alles liefern, was da war, analysierte und archivierte. Es fasziniert, ein wenig von seinem Wissen zu erfahren: „Wenn Sie genau schauen, ist ein Apfel nicht rund, sondern fünfeckig.“
So viel zum Äußeren, aber das Innenleben interessiert uns natürlich mehr. „Es geht nur vordergründig um Säure oder Süße, viel interessanter sind die Würzaromen und die Gerbstoffe. Sie geben dem Apfel den Charakter.“ Darin sind sich Wilfling und Reitbauer einig. „Außerdem interessiert uns, wie bei fast allem, was wir essen, auch die Textur, also die Frage, ob der Apfel knackig, mehlig oder weich ist“, führt Wilfling aus.
„An apple a day keeps the doctor away. Das Sprichwort gilt umso mehr für alte Sorten aus biologischer Landwirtschaft. Auf ihren Schalen findet sich eine spannende Vielfalt von nützlichen Bakterien, die dem menschlichen Darm, unserem zweiten Hirn, bei der Arbeit helfen“, erzählt Wilfling in einem kleinen Vortrag, bevor es ans Verkosten der Äpfel geht. „Leider ist das Wissen, was man mit den alten Sorten macht, über die Jahrhunderte verloren gegangen. Wir recherchieren überall. Denn wir wissen, dass alle diese Früchte sich nur gehalten haben, weil sie irgendeinen Sinn hatten. Lederäpfel zum Beispiel sind gut gegen Reflux. Alte Sorten sind widerstandsfähiger, brauchen weniger Gift und Chemie.“
Die hochgezüchteten Äpfel seien sehr krankheitsanfällig. Wenn der Apfel gespritzt ist, seien weniger nützliche Bakterienstämme auf der Schale. „Manche sind ziemlich gesundheitsschädlich. Während ich einen Apfel von den alten Sorten nur mal in der Hose abwischen muss, denn da ist nichts drauf, was mir schaden kann. Leider vertrauen die Menschen den Qualitäten, die aus der Natur kommen, immer weniger.“
Beim Koch.Campus wurden einundzwanzig Sorten verkostet, davon achtzehn alte, drei neue Sorten. Jeder Verkoster bewertete die Proben nach einem Punktesystem und schrieb seine sensuellen Eindrücke dazu. Das Ergebnis war so spannend wie ernüchternd: „Die neuen Sorten war nur frisch und roh gekostet halbwegs im Mittelfeld, aber in der Zubereitung weit abgeschlagen.“ Das sei auch ein Ergebnis der Zucht auf ein bestimmtes Geschmacksbild hin, auf den frischen Genuss, ohne weiter über die kulinarische Verwertung eines Apfels nachzudenken, sagt Wilfling.
„Interessant ist, dass die jüngere Generation nur noch die süßen und nassen Äpfel aus dem Supermarkt kennt und nichts anderes. Man muss den Jüngeren die Vielfalt mit viel Mühe wieder beibringen.“ Wie kommt der Apfel-Laie auf den Geschmack? „Am besten man fährt durch die Gegend und sucht die Bauern, deren Äpfel schmecken. Ein paar Tage Urlaub in einem österreichischen Dorf reichen.“
Das Alter der Obstbäume in Österreich bereitet Alois Wilfling Sorgen. „Wir müssen mehr Bäume pflanzen. Österreich könnte sich da an Bayern ein Vorbild nehmen, wo viel Geld in die Rekultivierung von Streuobstwiesen gesteckt wird.“
Nur für den Fall, dass Sie einen Garten besitzen: Pflanzen Sie 2023 einen Apfelbaum.
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