Experte erklärt: „Bei Wermut ist die Balance entscheidend“
Leonhard Specht von Burschik’s Vermouth in Wien erklärt im Interview, warum Wermut längst kein Relikt vergangener Tage ist.
Aromatisch, elegant und voller Geschichte – Wermut ist ein Getränk mit Charakter. Bei Burschik’s in Wien pflegt Leonhard Specht seit Jahrzehnten diese Tradition mit feinem Gespür für Balance, regionale Qualität und handwerkliche Präzision. Zwischen historischen Rezepturen, Kitzbühel-Anekdoten und modernen Spritz-Variationen zeigt sich, wie viel Leidenschaft und Präzision in jedem Glas Burschik’s Vermouth steckt.
Was ist Wermut eigentlich?
Leonhard Specht: Grundsätzlich ist Wermut ein aromatisierter Wein. Der Alkoholgehalt wird auf 16-18 % erhöht und der Alkohol mit Kräutern versetzt – vorrangig mit dem Wermutkraut, aber auch vielen anderen. Ursprünglich hat Hildegard von Bingen erkannt, dass das Wermutkraut appetitanregend ist. Deswegen gilt Wermut auch als klassischer Aperitif. In den 1780ern hat Johann Wolfgang von Goethe in Turin mit Antonio Benedetto Carpano den ersten modernen Wermut der Neuzeit – Antica Formula – entwickelt. Wermut hat also eine große Geschichte und war auch in Wien sehr wichtig. 1891 wurde Burschik’s gegründet, und in der Zwischenkriegszeit gab es hier bereits 50 Wermutkellereien. Auch von den 1950er bis 70er-Jahren war er sehr beliebt.
Da spielt auch ein ganz bestimmtes Skirennen eine Rolle, nicht wahr?
Genau. Das Bergsteigen und Skifahren waren die großen Hobbys meines Vaters. Von 1954 bis 1969 hat er gemeinsam mit dem Akademischen Skiklub Wien am Schneeberg und später auf der Hohe-Wand-Wiese in Wien – als ersten FIS-Parallelslalom – das sogenannte „Burschik Pokalrennen“ veranstaltet. Da standen Größen, wie die Kitzbüheler Anderl Molterer oder Toni Sailer am Start, die 1954/55 das Rennen gewonnen haben.Mein Vater war eng mit dem Skisport verbunden und daher auch beim Hahnenkammrennen Stammgast. Ich selbst war auch in Kitzbühel, aber sehr viel später, zwei Jahre als Skilehrer. Es war eine sehr schöne Zeit. Daher freut es mich jetzt auch, dass die KURIER Romy nach Kitzbühel kommt.
Ski-Legende Toni Sailer gewann 1955 am Schneeberg das „Burschik Pokalrennen“.
©Burschik/Leonhard SpechtIm Romy-Cocktail ist auch Wermut drin. Was macht denn einen guten Tropfen aus?
Der frisch-fruchtig-herbe Geschmack mit ausgleichender Süße und Bitternote – die Balance ist entscheidend.
Welche Rolle spielt Regionalität?
Das ist die Stärke. Das sehen wir auch bei uns. Wir produzieren mit Qualitätsweinen aus Österreich – meist aus dem Burgenland – und sind ein Wiener Traditionsbetrieb. Regionalität ist da auch Identität.
Welche Kräuter gehören in den Wermut?
Das Wichtige ist Wermutkraut – das ist Typizität gebend. Nur dann darf das Produkt „Wermut“ heißen. Dann folgen Koriander, Kardamom, Ingwer, Bitterorange, Angelikawurzel etc.
Wie trinken Sie Wermut am liebsten?
Am liebsten gespritzt mit Soda oder Tonic. Klassisch gut!
Rezept: Burschik sprizz
Zutaten:
5 cl Burschik
Klassik
10 cl Prosecco
5 cl Soda
1-2 Eiswürfel
Zitronenzeste
1 Zweig frischer Rosmarin
Zubereitung:
Eiswürfel ins Glas geben und vorkühlen. Dann die Zutaten nach und nach dazugeben.
Tipp vom Profi: Barkeeper Bert Jachmann von der Bar Halbestadt in Wien empfiehlt Zitronenzeste und Rosmarin für ein intensiveres Aroma.
Burschik gibt es seit 1891. Inwiefern hat sich die Rezeptur seitdem verändert?
Nach meinem Einstieg 1987 habe ich – geprägt vom Fachwissen aus der Weinakademie Rust – an der historischen Rezeptur gearbeitet: bestimmte Kräuter verstärkt, andere reduziert und die Süße deutlich gesenkt.
Weniger süß. Ist das auch der Trend?
Ja. Eine andere Balance zwischen Süße und Bitterkeit.
Von Hildegard von Bingen als Medizin entdeckt, wurde er durch Goethe zum Getränk. Wermut hat also eine große Geschichte und war auch in Wien sehr wichtig." - Leonhard Specht, Inhaber von Burschik’s Vermouth
Es wird oft vom Wermut-Comeback gesprochen. Warum ist er dennoch Nische?
Auf dieses Comeback warte ich seit 15 Jahren (lacht). Wermut ist ein Spezialistenprodukt. In der Breite funktioniert es über Spritzgetränke: mit Soda, Tonic, Sekt oder Champagner. In Bars funktioniert es im Cocktailsegment, konkurriert aber eben mit Bier, Sekt/Champagner und Wein.
Warum soll Wermut endlich die Hauptrolle spielen?
Wissen Sie, er ist einfach zeitlos. Ich bin mit dem Thema aufgewachsen, und es ist meine persönliche Ehre, Wermut wieder ins Rampenlicht zu bringen.
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