Engagiert, schlecht bezahlt: Der Alltag der Wiener Stadtführer

Österreich-Fans: Wiebke Ciesla, Carles Batlle i Enrich, Marie-Sophie Iontcheva
Am Wochenende laden sie zu zahlreichen Gratis-Events. Ihre Liebe zu Österreich wecken sie auch an den anderen Tagen im Jahr
Von Uwe Mauch

Wien ist für sie das pralle Leben und der schönste Arbeitsplatz, den sie sich vorstellen kann: „Ich habe hier jeden Tag mit Menschen zu tun, die in der Regel neugierig sind, denen ich Geschichte nahe bringen darf. Und es ist ja in Wien jede Menge Geschichte vorhanden.“

Wiebke Ciesla hat die ersten 28 Jahre ihres Lebens in Dortmund verbracht, ehe sie ihrem Mann berufsbedingt nach Wien gefolgt ist. Wenn sie über Wien erzählt, sollten die rot-weiß-roten Tourismuswerber sie sofort abbusseln. Eine bessere Mundpropaganda gibt es kaum.

Was gefällt Ihnen an Wien?

An diesem Wochenende wäre der wohl geeignete Zeitpunkt dafür, denn da feiert Ciesla gemeinsam mit ihren Kollegen, den Austria Guides, bereits zum 30. Mal den Welttag der Fremdenführer. Die Wiener Stadtführer sind dafür bekannt, dass sie tolle Events anbieten (siehe unten).

Die Kunden der studierten Fremdsprachenkorrespondentin und gut ausgebildeten Fremdenführerin kommen überwiegend aus dem englischsprachigen Raum. Dass der eine oder die andere weniger Interesse an ihren Ausführungen zeigt, sei Teil ihres Berufs. Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl gilt es bei jeder Führung herauszufinden, wo genau sie ihre Touristen abholen muss.

Engagiert, schlecht bezahlt: Der Alltag der Wiener Stadtführer

Aus Dortmund: Wiebke Ciesla

Ein Fan aus Barcelona

Und auch ihn sollten wir vorbehaltlos abbusseln: Carles Batlle i Enrich ist in der nicht unhübschen Stadt Barcelona aufgewachsen. Doch es ist nicht Barcelona, es ist die Stadt Wien, die für ihn „ein großes Geschenk darstellt, das ich sehr gerne angenommen habe“. Schon als Student der romanischen Philologie wollte der Katalane unbedingt nach Österreich, um hier die deutsche Sprache zu lernen und im Land seiner Träume zu leben.

Seine Arbeit als Fremdenführer in den Straßen und Museen von Wien genießt Batlle i Enrich, der auch an der Universität Wien unterrichtet, in vollen Zügen: „Weil ich Menschen eine Freude machen kann. Das ist eine Arbeit wie als Schauspieler, du stehst auf einer Bühne.“ Mit dem Unterschied, dass es bei seinen Führungen keinen Vorhang und keinen Schutz vor Extremwettersituationen gibt, und dass sofort eine Lösung her muss, wenn ein Teilnehmer plötzlich und sofort eine Toilette benötigt.

So wie die Schauspieler müssen auch Fremdenführer persönliche Befindlichkeiten ausblenden. „Vor allem an schlechten Tagen, die wir auch immer wieder mal haben“, gibt Carles Batlle i Enrich zu bedenken. „Denn unsere Aufgabe ist es auch, gute Laune zu verbreiten.“

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Aus Barcelona: Carles Batlle i Enrich

Privilegierte aus Sofia

„Ich fühle mich privilegiert, durch diese schönen Straßen und Museen zu gehen“, freut sich Marie-Sophie Iontcheva über ihren Arbeitsplatz in Wien. Und ein Zwickerbusserl des Dankes gebührt selbstverständlich auch ihr!

Iontcheva wurde in Sofia geboren, ging aufgrund der beruflichen Verpflichtungen ihres Vaters im damaligen Ostberlin in die Volksschule und dann in Wien-Favoriten ins Gymnasium. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften hat sie einige Jahre lang ein privates Reisebüro geführt, seit 2017 arbeitet sie als Stadtführerin.

Alle drei Fremdenführer machen auf ein Problem aufmerksam, das viele Kollegen betrifft: „Wir müssen schauen, wie wir finanziell einigermaßen über die Runden kommen.“ Einfach sei das nicht. Die Konkurrenz ist – trotz der aufwändigen zweijährigen Ausbildung – groß, der Wettbewerb wird zunehmend über den Preis geführt.

Helfen würde den zumeist selbstständig Tätigen ihre Mitgliedschaft bei den Austrian Guides. Marie-Sophie Iontcheva freut sich über den guten Zusammenhalt: „Schön, wir können uns gegenseitig unterstützen.“

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Aus Sofia: Marie-Sophie Iontcheva

Veranstaltungen am Wochenende

Der Welttag: Der in Wien beliebte  „Welttag der Fremdenführer“ feiert ein rundes Jubiläum: Bereits zum 30. Mal wird er am kommenden Sonntag in zahlreichen Städten gefeiert.

Gratis-Themen-Führungen: Die Austria Guides laden am Sonntag zwischen 10 und 16 Uhr zu Gratis-Führungen und Gratis- Vorträgen in die Österreichische Nationalbibliothek und ihre
Institutionen, u. a. in das Haus der Geschichte Österreich. Treffpunkt  für Interessierte ist  der Eingang zur Nationalbibliothek am
Josefsplatz, eine Anmeldung ist laut der Veranstalter erforderlich: https://www.guides-in-vienna.at/

Engagiert, schlecht bezahlt: Der Alltag der Wiener Stadtführer

Ausgewiesene Expertise

Gratis-Blinden-Führungen: Bereits am Freitag, von 13 bis 17 Uhr, bieten die Austria Guides Gratis-Spezialführungen für blinde und sehschwache Menschen
im Dom Museum Wien auf dem Stephansplatz an. Eine Anmeldung ist auch für diesen Event nötig:
anmeldung@hilfsgemeinschaft.at

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