"Eine gute Zeit mit lieben Menschen“, erwartet sich Kabarettist Gerold Rudle von seiner neuen Rolle als „Rudelführer“ (gerne auch Rudleführer - Gagalarm!) der Puls-4-Show „Sehr witzig!?“. In der ist er erstmals am kommenden Montag, 7. Oktober, um 21 Uhr zu sehen.
Doch was findet Gerold Rudle denn im echten Leben witzig? Das versuchten wir in einem Gespräch herauszufinden - rund um das Thema Witz, Humor und Lachen, selbst wenn es einem mal nicht so gut geht.
KURIER: Es gibt eine psychologische Studie, wonach die meisten Menschen Witze lustig finden, die um 18.03 Uhr erzählt werden. Um 1.30 Uhr, mitten in der Nacht, können nur die wenigsten Leute über einen Witz lachen.
Gerold Rudle: Das glaube ich sofort. Weil die Bedeutung oder Wirkung eines Witzes eine gewisse Wachheit erfordert. Ich glaube, die meisten Witze verlangen den Zuhörern eine gewisse Eigenleistung ab. Ja: Für einen Witz braucht es Intelligenz. Das reine Witzeerzählen reicht also nicht, seine "Botschaft" muss auch der Empfänger umsetzen und verstehen können. Kinder unter drei Jahren verstehen zum Beispiel keine Witze, ihnen fehlt das intellektuelle Verständnis für das Überhöhen. Die sitzen dann da und fangen zu weinen an, denn Kinder nehmen ernst, was sie sehen. Meine Tochter hat viele meiner Kabarett-Nummern überhaupt nicht lustig gefunden, weil: „Der, den du spielst, ist urarm, zu dem muss man halten, über den darf man sich nicht lustig machen.“
Das gilt auch für Herrenwitze und Schenkelklopfer?
Nein. Bei denen fehlt ja die gute Pointe. Das sind Witze, wo ich zum Beispiel gar nicht lachen kann, weil nur dümmliche Klischees bedient werden.
Darf man Witze auf Kosten von anderen oder gar Minderheiten-Witze machen?
Diese Frage spielt in das weite Feld der Political Correctness hinein. Die ist sehr zweischneidig, da wanke und schwanke ich in meiner Meinung. Ja, Political Correctness ist dringend nötig, aber nein: Bitte nicht übertreiben! Es darf nicht sein, dass wir nicht mehr wissen, was man sagen darf oder nicht. Niemand meint es böse, wenn er zum Beispiel "Eskimo" sagt. Da gibt es aber sofort drei in einer Gruppe, die aufschreien: Eskimo darf man nicht sagen! Meine Mutter wiederum sagt, das ist so ein Blödsinn, die Eskimos nennen sich ja selbst Eskimos. Alle Bücher müssen wir umschreiben, weil da zum Beispiel steht: „Zehn kleine Negerlein“. Ich bin überzeugt: Die meisten Menschen denken sich dabei nichts Böses. Es ist trotzdem wichtig, hinzuweisen, dass manche Begriffe nicht richtig sind und heute einfach nicht mehr gehen. Dennoch glaube ich: Ja, man darf sehr wohl auch Witze über Minderheiten machen, so lange man eben einen Witz macht, und nicht jemanden absichtlich damit degradiert.
Was Psychologen ebenfalls herausgefunden haben wollen: Dass Witze, die nach dem Dreier-Schema AAB aufgebaut sind, am besten funktionieren. Stimmt das?
Ja, davon gibt es viele. Ich nenne Ihnen eine Beispiel: Ein Russe, ein Deutscher und ein Österreicher…, der Russe sagt das, der Deutsche sagt das, aber der Österreicher sagt/tut plötzlich was anderes… Dass das Witze sind, die am besten funktionieren, würde ich aber nicht bestätigen. Am besten funktionieren Witze, wenn sie gut erzählt werden. Würde man sich in unserer Sendung so manchen Witz einfach nur durchlesen, würde man sich auf den Kopf greifen und sagen: Um Gottes Willen, bitte lassen wir den! Wenn ihn aber die Lydia Prenner-Kasper erzählt oder der Harry Prünster, dann ist es per se schon erheiternd, und dann wird auch der Witz gut.
Wie lang darf ein Witz denn eigentlich sein?
Ich finde schon, dass der Spruch „Weniger ist mehr“ da Gültigkeit hat. Witze sind nicht lustiger, nur weil sie lang sind.
Fällt Ihnen spontan ein ganz kurzer Witz ein?
Ja klar: „Geht ein Musiker bei einem Wirtshaus vorbei.“ Das war er auch schon - weil kein Musiker je an einem Wirtshaus vorbei gehen würde. Für mich war übrigens für lange Zeit einer der kürzesten Witze: „Kickl als Innenminister“. Aber nicht alle können darüber lachen.
Vor einigen Jahren wurde der beste Witz der Welt gewählt – via „Laugh Lab“, einem Lachlabor, das den Humor wissenschaftlich untersucht. Tausende Menschen haben dafür Witze ins Netz gestellt, diese wurden bewertet. Das Ergebnis: der beste Witz der Welt.
Aha, interessant. Und wie geht der?
Zwei Jäger gehen auf die Jagd und wandern durch den Wald. Plötzlich greift sich der eine an die Kehle und stürzt zu Boden. Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: „Ich glaube mein Freund ist tot, was jetzt?“ Der Arzt sagt: „Beruhigen Sie sich! Zunächst einmal müssen Sie sicher gehen, dass Ihr Freund wirklich tot ist.“ Kurze Pause, schließlich ein Schuss. Dann kommt er wieder ans Telefon. „OK, erledigt, und was jetzt?“
Na servas. Den finde ich gar nicht witzig, der ist ja schrecklich, der hat ganz wenig Sympathisches. Da muss ich der Wissenschaft widersprechen.
Apropos, jetzt zu Sigmund Freud. Er sah im Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn. Der Witz als Verdrängungsmechanismus. Was leistet der Humor diesbezüglich?
Ich bin ja kein Sigmund Freud und auch kein Psychologe, was ich aber schon bestätigen kann: Der Witz nützt nix, tut aber sehr gut. Ganz oft, nach großen Katastrophen, gibt es manchmal Witze über diese Katastrophen, bevor überhaupt analysiert wurde, was genau passiert ist. Wenn ich Herrn Freud richtig verstehe, benutzen Menschen den Witz, um mit einer Situation fertig zu werden, um sich etwas schönzureden oder sich Mut zu machen. Ich glaube schon, dass der Witz so eine Funktion hat.
Es gibt den britischen Humor, den jüdischen Witz und so weiter. Andere Länder, andere Menschen, andere Religion – andere Witze?
Ja, ganz sicher. Weil jeder Witz eine Basis braucht. Der, der den Witz erzählt, muss bei dem, dem er den Witz erzählt, bestimmte Dinge voraussetzen. Ein interessantes Beispiel sind da Pantomimen, von denen man annehmen würde, sie könnten überall auf der Welt auftreten. Allerdings müssen sie ihre Programm teilweise umschreiben, wenn sie woanders auftreten. Es braucht die Heimat, die Umgebung, das Einverständnis der Gruppe und Codes, damit das verstanden wird, was sie machen.
Manchmal fragt man sich ja, wer Witze erfindet …
Ich denke, dass Witze zum Teil einfach passieren, aus einer Situationskomik heraus. Das wird dann weiter erzählt, als Witz und setzt sich so fort. Und dann gibt es besonders humoristische Menschen, die ständig auf der Suche nach der Pointe sind, die ich aber persönlich nicht aushalte. Die suchen und erfinden Witze. Und schließlich gibt es die Hüter und Bewahrer des Witzes, wie der Harry Prünster. Der hat 1000 Witze im Kopf, ist ein wandelndes Witze-Archiv. Der behauptet übrigens, dass es genau sechs Witze gibt, alle anderen sind Abwandlungen dieser sechs Witze. Da hat er nicht ganz unrecht.
Sie haben lange bei der Stehgreifbühne Tschauner gespielt, da muss man wohl die Kunst beherrschen, spontan witzig sein zu können und aus dem Bauch heraus einen Witz zu machen. Wie geht das?
Das ist eine schwierige Angelegenheit, darum habe ich auch nicht sofort zugesagt, als Puls 4 mich gefragt hat, ob ich die Witze-Sendung moderieren möchte. Der Witz ruft – im Zusammenhang mit Bühne, zumindest in meinem Kopf – eine negative Assoziation hervor. Der hat da einfach keinen guten Ruf. Als Schauspieler gehen wir nicht auf die Bühne und erzählen Witze – auch nicht die beim Tschauner. Die spielen und improvisieren ein Stück auf humoristische Art und Weise, nur hie und da hilft man sich, indem man einen Witz hineinspielt. Das ist aber nicht der Sinn der Sache. Es heißt ja so schön, dass wir Pointen statt Witze machen.
Worin liegt da der Unterschied?
Pointen kosten mehr, für die bekommt man eine höhere Gage als fürs Witzeerzählen (lacht).
Das Geschlechterverhältnis in der Witze-Show schaut meist so aus: drei Männer und eine Frau. Warum?
Im Fixteam ist es tatsächlich so, außer eine Frau kommt als Stargast. Was aber eher selten ist. Das hat viel damit zu tun, dass es weniger Frauen in der Kabarettszene gibt als Männer. Und dann existiert schon auch das sich selbst erfüllende Klischee, dass Männer besser Witze erzählen können als Frauen. Es gibt wenige Frauen, die Witze wirklich gut erzählen können.
Aha. Und warum soll das so sein?
Bei Frauen ist man nach wie vor enttäuscht bis entsetzt, wenn sie Schenkelklopfer-Witze machen, bei Männern nicht. Das ist eigentlich sehr traurig. Außerdem glaube ich, dass Frauen tiefgründiger sind. Wobei die Lydia Prenner-Kasper, die Witzeprinzessin, die kann das. Das ist ganz hohe Schule, was die macht. Da können die Männer oft nicht mithalten.
Jetzt werden die Witze in der Show mit roten oder grünen Karten beurteilt. Sind Sie strenger als Gery Seidl?
Ja, das bin ich. Ich zücke viel öfter die rote Karte, weil ich gerne hätte, dass gewisse Gürtellinien nicht unterschritten werden. Ich mag es etwa nicht, wenn ein Witz – meiner Meinung nach – rassistisch ist.
Sie stehen ja selbst viel auf der Bühne, sind lustig. Nun gibt es aber Tage, an denen es einem nicht so gut geht, wie ist das dann mit dem Witzigsein?
Das funktioniert wie Ein- und Ausschalten. Du kannst Sekunden, bevor es losgeht, eine Erschöpfung spüren, eine Traurigkeit, eine Unlust, mit der du diesen Beruf fast verfluchst. Dann geht das Licht an, du hörst den Applaus, gehst raus auf die Bühne. Und mit Betreten der Bühne ist all das weg. Genauso verhält es sich mit 39 Grad Fieber und einem nicht enden wollenden Schnupfen. Ich kann nicht erklären, warum, aber du gehst auf die Bühne, die Leute hören, dass du eine verstopfte Nase und eine belegte Stimme hast, aber du musst dich nicht alle zehn Sekunden schnäuzen. Die Vorstellung ist aus, du gehst runter von der Bühne und musst dich wieder alle zehn Sekunden schnäuzen.
Haben Sie einen Lieblingswitz?
Ja, den habe ich: Erdogan, Putin und Trump, mittlerweile kann man Boris Johnson dazu nehmen, sitzen in einem Boot und fahren übers Meer. Es kommt ein Sturm, das Boot sinkt. Wer wird gerettet?
Die Welt.
LESE-TIPP:Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl mit ihrer Kolumne "Paaradox" auf kuriermitschlag.at
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