Tinder: Ein bisschen Liebes-Fast Food
Wisch und weg“ – das hört man im Zusammenhang mit der Dating-App Tinder gerne einmal. Klingt nicht besonders romantisch. Wohl deshalb hat das US-Magazin „Vanity Fair“ in seiner aktuellen Ausgabe das Phänomen „Dating Apps“ kritisch durchleuchtet. Betroffene kommen zu Wort – Fazit: Es geht im weitesten Sinne um „Liebes-Fast-Food“, uncharmanter formuliert: Um schnell generierte Quickies. Weshalb das Magazin dunkle Wolken am Romantik-Himmel aufziehen sieht. Von einer „Dating-Apokalypse“ ist gar die Rede.
Tiefgründig? Eher nicht so.
„Gefällt mir nicht“ – sagte dazu Tinder. Und spamte daraufhin Twitter zu – mit empörten Äußerungen zum Vanity-Fair-Artikel. Denn natürlich seien die meisten Tinder-User im Grunde ihres Herzens Romantiker, die sich nach tiefgründigen Begegnungen sehnen. Es wurde diskutiert, inzwischen haben sich alle wieder beruhigt. Das zur aktuellen Dating-Welt-Lage.
Übrigens: Für alle, die noch nicht so genau wissen, was Apps wie Tinder auszeichnet, weil sie vielleicht doch noch auf altbewährte Methoden wie „Anschauen, ansprechen, anrufen“ etc. setzen: Die App zeigt via Smartphone Bilder von möglichen Partnerinnen und Partnern – per „Touch“ (Stichwort: Wisch & Weg) wird vom User entschieden, ob man Interesse an einer gezeigten Person hat. Oder eben nicht. Finden beide „Tinderianer“ Gefallen aneinander, ist es möglich, Nachrichten auszutauschen, um schließlich ein Treffen zu arrangieren.
Homo ludens
Das kann, muss man aber nicht mögen, entspricht aber dem veränderten Konsumverhalten einer Generation, die mit „Bildern“ (Stichwort: Selfies) und Kurzbotschaften aufwächst und lange Liebesbriefe nur mehr aus Büchern kennt. Nicht nur: Das Geschehen ist schnelllebiger – wir sind gewohnt, rasch Antworten auf alle unsere Fragen und Bedürfnisse zu bekommen. Google macht den Massenkonsum an Information möglich – Dating-Apps transponieren dieses Prinzip auf den Liebesmarkt.
Außerdem wird mit Hilfe solcher Apps Homo ludens bedient – die schöne neue Blätterwelt, quasi. Dazu kommt, dass Tinder-User es natürlich gewohnt sind, sich in die Auslage zu stellen, also dem "Markt" zu stellen. Mit Facebook hat alles begonnen.
Es ist insgesamt zu vermuten, dass Dating-Apps nur in den seltensten Fällen zur Vertiefung menschlichen Begegnens führen, sondern vielmehr dazu dienen, dem „Gefällt mir“/“Gefällt mir nicht“-Modus folgend, zu bewerten und zu kategorisieren (inkl. der Tatsache/Gefahr, ebenfalls bewertet zu werden). Ganz sicher sind sie eine weitere Zutat im Spaß-Kosmos. Dass Tinder eine amerikanische Erfindung ist, spielt da ebenfalls eine Rolle: dort existiert traditionell eine Dating-Kultur auf Basis der Unverbindlichkeit. Nicht zu vergleichen mit dem uns geläufigen, ach so aufregendem, „ersten Rendezvous“ (wobei: GIbt es das überhaupt noch???).
Ob man auf Tinder-Art „fürs Leben“ fündig wird, bleibt also zu bezweifeln – doch Tinder als reines Instrumentarium für schnellen Sex zu sehen, ist ebenfalls übertrieben.
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