Er trat als Akrobat im Zirkus auf, spielte Gitarre in einer Roma-Band in Paris, übernahm Rollen in Shakespeare-Stücken und führte Regie bei amerikanischen TV-Serien. Doch ab dem Jahr 1951 kannte die Welt Yul Brynner vor allem als „König von Siam“: Die Rolle im Broadway-Musical „The King and I“ sollte seinen weiteren Weg bestimmen. Knapp 5000-mal trat er in der Bühnenfassung auf, dazu in einer Verfilmung (1956) und einer Adaption als TV-Serie (1972). Den rasierten Kopf, den ihm eine Kostümdesignerin nahe gelegt hatte, behielt er als Markenzeichen bei.
„Dass er so schnell berühmt wurde, war für ihn überraschend“ sagt Victoria Brynner, die 1962 als Tochter der zweiten von Brynners insgesamt vier Ehefrauen zur Welt kam (mit der österreichischen Schauspielerin Frances Martin, auch Franzi Tilden, hatte er außerehelich eine weitere Tochter). „Ich glaube, er hätte selbst einen anderen Karriereweg gewählt – das Regie-Metier kam seiner Persönlichkeit mehr entgegen. Dass er die Kamera zur Hand nahm, war eine Möglichkeit, seine Leidenschaft zur Beobachtung weiter auszuleben.“
Brynner (im Spiegel) mit Ingrid Bergman am Set von „Lieben Sie Brahms?“, 196
Ein fotografisches Erbe
Seit vielen Jahren bemüht sich Victoria Brynner um die Anerkennung des fotografischen Werks, das Brynner hinterließ – rund 20.000 Aufnahmen sind es, sagt sie, von privaten Schnappschüssen bis zu Stillleben. Daraus stechen jene Fotos besonders hervor, die Brynner während Filmdrehs am Set machte: Stars wie Ingrid Bergman, Frank Sinatra, Sophia Loren und viele andere erscheinen darin in einer außergewöhnlichen Lockerheit und Unbekümmertheit – und vermitteln das nostalgische Bild einer Zeit, in der der Lifestyle der Reichen und Schönen noch eleganter und weniger inszeniert schien als heute.
„Es gab ein Ökosystem rund um die Leute, die im Filmbusiness erfolgreich waren, und mein Vater war ein Teil davon“, sagt Victoria Brynner. „Man sieht das Vertrauen der Menschen in den Bildern – er verängstigte sie nicht, sondern vermittelte ihnen Ruhe.“
1920 als Juli Borissowitsch Briner in Wladiwostok geboren, gelangte Yul Brynner über China und Paris 1940 in die USA. Das Musical „The King and I“ („Anna und der König von Siam“) brachte ihm 1951 den Durchbruch. „Die Glorreichen Sieben“ (1960) machte ihn auch zum Western-Helden. Brynner starb 1985 an Lungenkrebs.
Die Leica Galerie Wien (1010, Seilergasse 14) zeigt bis 28. 10. Brynners Fotos, limitierte Abzüge stehen zum Verkauf (3.900 - 7.200 Euro). Zwei extrem rare Leica-Kameras aus Brynners Besitz werden am 24. 11. im Hotel Bristol versteigert – Schätzwert je 700.000 Euro.
Mit wenigen Ausnahmen – das Magazin LIFE beauftragte Brynner etwa, den Dreh zu „The King and I“ zu dokumentieren – entstanden fast alle Fotos als „Liebhaberei“, erzählt Victoria Brynner. „Mein Vater dokumentierte gern alles, aber er wollte auch jedem am Set seinen Moment des Ruhms geben“, sagt sie. „Er fotografierte die Techniker, Assistenten, Kostümdesigner genauso wie die Stars. Es ist in Hollywood üblich, dass der Star eines Films am Ende eines Drehs jedem Mitglied der Crew ein Geschenk gibt, und ich weiß, dass mein Vater einmal jeder Person ein Foto überreichte, das er von ihr gemacht hatte.“
Doch Brynner beschränkte sich nicht auf sein Berufsumfeld. Nach seiner Rolle im Film „Die Reise“ über den Ungarnaufstand zum UN-Sonderbotschafter ernannt, bereiste er mit der österreichischen Fotografin Inge Morath Flüchtlingscamps in Europa und im Nahen Osten – das resultierende Buch „Bring Forth the Children“ erschien 1960. „Mein Anliegen ist, nicht nur Hollywood-Bilder zu zeigen, sondern einfach gute Bilder“, sagt Victoria Brynner. „Ich glaube, die Fotos meines Vaters gewinnen mit der Zeit an Bedeutung. Sie sind heute bereits historische Dokumente.“
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