Ausgegraben
„Ich war bei einer Foto-Archivarin in London, die eine Ausstellung mit Lindas (McCartneys verstorbener Frau, Anm.) Fotos organisierte. Ich sagte, ich habe in den Sixties ein paar Bilder gemacht, aber ich habe keine Idee, wo die sind. Und sie meinte, ach ja, wir haben sie hier. Wir schauten sie uns an und erkannten, dass es da 300 Fotos gibt.“
McCartney findet, dass die Serie einen wichtigen Zeitpunkt im Leben der Beatles einfängt. „Da ist diese Unschuld, denn wir wussten nicht, ob wir es schaffen würden, ob wir berühmt werden würden – aber wir wussten, dass wir das wollten. Sicherheit gab es keine“, sagt er.
Zugleich bestechen McCartneys Fotos darin, dass sie eben nicht die Beatles als Stars zeigen. „Ich glaube, wir suchten alle nach diesen Momenten von Zen, denn um uns herum war alles verrückt, weil alles auf einmal passierte“, so McCartney zu O’Brien. „Und John (Lennon) war ruhig, weil ich ja nicht einer der Fotografen war, die zu ihm sagten, komm schon, gib mir Energie. Bei mir konnte er entspannt sein, einfach dasitzen. Ich habe seine Ruhe immer bewundert. Heute weiß ich, dass ich ein großer Fan von ihm war. Wir alle in der Band waren seine Fans. Er war ein sehr cooler Typ, sehr witzig, sehr smart, aber gleichzeitig sehr tiefsinnig und echt und authentisch. Diese Fotos zeigen das.“
Lennon kaut nicht
In den Bildern sei nie zu sehen, dass Lennon an den Fingern kaute – was sonst für ihn typisch gewesen sei, so McCartney. „Ich hatte das vergessen, weil es so lange her ist. Und es war so schön, diese Erinnerungen wieder aufzufrischen. Mir war ja damals gar nicht klar, was für eine tragische Jugend John hatte. Seiner Mutter Julia, die er geliebt hat – er hat ja einen wunderschönen Song für sie geschrieben – wurde das Sorgerecht entzogen. Sein Vater Alf hat die Familie verlassen, als John drei war. Er wurde von seiner Tante Mimi aufgezogen. Als ihn seine Mutter einmal besuchte, wurde sie auf dem Heimweg von einem betrunkenen Cop überfahren, aber das wurde vertuscht. Er hat seine Mama verloren, und später wurde mir klar, warum er diese ungeheure Verletzlichkeit hatte.“
Jung und unbeschwert
Doch neben und den Abgründen hinter dem Duo Lennon/McCartney, das einige der wichtigsten Songs des 20. Jahrhunderts verantwortete, kommt in den Bildern auch die Vertrautheit zum Vorschein – und die leichte Seite des Lebens, das die „Fab Four“ zu jener Zeit führten. Auch Manager Brian Epstein, der seine Homosexualität in jener Zeit geheim halten musste, wurde von McCartney in einem Moment der Gelöstheit abgelichtet. „Ich war sehr glücklich, als ich dieses Foto wiederentdeckte“, sagt McCartney. Er war damals einfach nur ein Typ. Alt, in unseren Augen, weil er 30 war. Aber so ein lieber Kerl. Wir hatten sehr interessante Gespräche mit ihm, denn mit uns war er sehr offen.“
George Harrison, der jüngste Beatle, war zum Zeitpunkt der Aufnahmen gerade 20 Jahre alt. „Ich habe Enkel, die älter sind. Aber damals dachten wir nicht, dass wir jung sind“, sinniert McCartney. „Wir waren die Könige des Universums. Wir rauchten, hatten Anzüge und Krawatten und Gitarren. Wir waren cool. Und wie Sie sagten, wir waren unbeschwert. In diesen Fotos wollte ich diese Momente festhalten, das Interessante an ihnen.“
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