... und Israel verliert den Krieg – wie die Perser gegen Athen

Quader aus Gittern in „Perzen. Triomf van Empathie“ als Grenzzaun und später als Ruinen.
Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es im Alten Testament. Möglicherweise war das der Grund, warum Xerxes, König der übermächtigen Perser, mit seiner Flotte bei Salamis eine bittere Niederlage gegen die Griechen einstecken musste. Kriegsveteran Aischylos erzählte die Geschichte eines Triumphs aber nicht als Hymnus, sondern aus der Perspektive der Verlierer. Weil er Empathie hatte. Oder weil er einfach kein Chauvi war?
Chokri Ben Chikha, ein flämischer Regisseur mit tunesischen Wurzeln, sollte für das NTGent, der vormaligen Wirkungsstätte von Festwochenintendant Milo Rau, „Die Perser“ inszenieren. Er suchte nach einer Analogie in der Gegenwart und stieß auf den Nahostkonflikt: In „Perzen. Triomf van Empathie“ setzt er die Perser mit den Israelis gleich – und Benjamin Netanjahu mit Xerxes. Er fand einen israelischen Historiker, Moshe Zimmermann, der die Gleichsetzung durchaus plausibel findet: Netanjahu wäre vielleicht sogar stolz, mit Xerxes verglichen zu werden, weil er in seiner Hybris nicht die dahinterliegende Kritik kapiere.
Und so malt Chokri Ben Chikha ein ziemlich düsteres Bild vom Jahr 2030, in dem rechte Regierungen fast überall die Macht übernommen haben: Der Nahostkonflikt wurde mit einer Atombombe radikal beendet, die Zweistaatenlösung verwirklicht, und Deutschland hat Netanjahu Asyl gewährt. Belgien gibt’s auch nicht mehr, und Chokri Ben Chikha wurde suspendiert, weil er sich den Grundsätzen – Neutralität, Empathie und Sicherheit – widersetzt haben dürfte. Seine multiethnischen Studierenden aber sollen trotzdem ihre Abschlussarbeit präsentieren dürfen: unter der strengen Supervision von Mareille Lahbohm, die als Moderatorin des 90-minütigen Abends fungiert (noch bis 3. Juni 2025 bei den Festwochen im Museumsquartier).
Was nun also folgt, ist zwar ironisch gemeint – und gleichzeitig ziemlich zynisch, vielleicht auch antisemitisch. Denn mehrfach werden Analogien zwischen Netanjahu-Israel und Hitler-Deutschland hergestellt. Moshe Zimmermann zum Beispiel sieht im Video Parallelen in der Indoktrinierung der Jugendlichen. Später werden Bilder vom zerbombten Warschau mit jenen vom zerbombten Gazastreifen überblendet.
Der Sieg der Nazis
In einer der vielen Szenen fassen die fünf Absolventinnen das Stück von Aischylos in zwei Minuten zusammen. Danach wird das eher absurde Kasperltheater wiederholt – und Netanjahu sagt als Xerxes: „Die Nazis haben uns wieder besiegt.“ Sie würden bald da sein, verkleidet als Araber. Als Zuschauer ist man recht fassungslos, auch wenn immer wieder Empathie für die Gegenseite zum Ausdruck gebracht wird.
Gegen Ende hin gibt es aber eine Szene, die berührt: Eine Schauspielerin erzählt von ihrer Kindheit in Israel. Das Land sei ihrem Volk geschenkt worden, hieß es. Das habe sie nie hinterfragt, und dafür schäme sie sich. Hier trifft der Abend einen wirklich wunden Punkt: Die Mitverantwortung der Kolonialländer, die über Menschen hinweg entschieden, wird noch Thema sein müssen.
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