"Centroamérica" bei den Festwochen: Tendenziöse Geschichtsstunde

Mittelamerika besteht aus sieben Ländern: Guatemala, Belize, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Das mexikanische Kollektiv Lagartija tiradas al sol (Luisa Pardo und Lazaro G. Rodriguez) verbindet in seinem Stück „Centroamérica“ eine Untersuchung der aktuellen politischen Lage(n) in diesen Ländern mit einem persönlichen Drama. Eine der von ihnen Interviewten, Maria, bittet Luisa, ihren an Covid verstorbenen Bruder aus einem Massengrab ins Grab der Mutter in Nicaragua umbetten zu lassen – sie kann nach ihrer Flucht nicht mehr in das Land einreisen.
Fiktion hilft
Luisa gelingt es nicht, aber mit einer kleinen Inszenierung lässt sie Maria glauben, dass ihr Wunsch erfüllt ist. Fazit: Fiktion kann Leben verändern. Theater ist überall. Das 90-minütige Stück hat seine Längen und wird erst gegen Ende tatsächlich spannend.
Unsensibles Nachspiel
Den Abend bei der Verbeugung mit einer Kufiya um den Hals und Solidaritätsbekundungen für Palästina zu beenden, ausgerechnet im Nestroyhof Theater Hamakom, keine 100 Meter entfernt von der ehemals größten Synagoge Wiens, die in der Pogromnacht vom 9. November 1938 niedergebrannt wurde, in der Nachbarschaft eines Ortes, an dem jüdische Kinder Zuflucht suchten und doch in den Vernichtungslagern landeten, kann man bestenfalls als unsensibel bezeichnen. Vielleicht sollte Intendant Milo Rau mit seinen Festivalgästen ein bisschen mehr Ortsgeschichte lernen.
Allerdings, nachdem im Stück anklagend die Involvierung Israels in den Bürgerkrieg von Guatemala betont wurde, nicht aber jene von Argentinien oder Südafrika, muss man wohl davon ausgehen, dass dies kein unabsichtlicher Ausrutscher in antisemitische Gefilde war.
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