Von: Susanne Zobl
Zwei Abende im Radiokulturhaus, überschrieben mit „Die Akademie der Zweiten Moderne“, widmeten die Wiener Festwochen ausschließlich Werken von Komponistinnen. Auch non-binäre Menschen waren durch Monthati Masebe aus Südafrika vertreten.
Der Titel bezieht sich auf die Wiener Moderne, denn die sei „eurozentristisch, männlich und elitär“. 92,3 Prozent der im Opern- und Konzertbetrieb aufgeführten Werke stammen von Männern. Festwochen-Intendant Milo Rau will mit dem unter der Schirmherrschaft von Nuria Schoenberg Nono auf fünf Jahre angelegten Projekt, bei dem 50 Komponistinnen aufgeführt werden sollen, dem entgegenwirken. Die Konzeption stammt von Jana Beckmann. Am Ende gab es eine „Erklärung für mehr Diversität“. Gefordert wird eine intensivere kuratorische Befassung mit Gegenwartsmusik, aber auch mit jenen, die in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen wenig Berücksichtigung erfuhren. Gleichzeitig soll mehr über Fragen der kulturellen Aneignung reflektiert werden. Vertreten waren internationale Institutionen wie die Dutch National Opera, die Elbphilharmonie, das African Woman’s Orchestra, das Tokyo Metropolitan Theater, die Volksoper, der Musikverein.
Seit Jahren wird dieser unerfreuliche Umstand, dass Komponistinnen zu wenig aufgeführt werden, thematisiert. In Österreich etwa tritt die Musikwissenschafterin Irene Suchy dagegen an – zuletzt mit dem Projekt „Hidden Harmonies“, das vergessenen Komponistinnen im Internet eine Plattform schafft.
Vibrationen der Klänge
Bei Wien modern werden ganz selbstverständlich Werke von Frauen aufgeführt. Was geschah nun bei den Festwochen? Das Klangforum Wien ließ unter der akkuraten Führung von Katharina Wincor die Kraft weiblicher Kompositionen spüren.. Am zweiten Abend erinnerte Dilay Doğanay mit „Lullayby(e)“ an das Erdbeben in der Türkei 2023. Die Vibrationen der Klänge, die im Raum ausgestrahlt wurden, waren tatsächlich zu spüren. Aida Shirazi verzauberte mit „Crystalline Trees“ den Saal in einen klirrenden Klangwald. Neben Bushra El-Turk, deren Oper „Women at Point Zero“ bei den Festwochen aufgeführt wurde, und Mirela Ivičević ließ Brigitta Muntendorf mit der Qualität von „Nekropolis“, einer Auskoppelung aus ihrer Oper „Melancolia“, aufhorchen.
Aber warum wurde nicht die ganze Oper aufgeführt? Rau beteuert: „Das war nur ein Start für das, was wir in den nächsten Jahren weiterführen wollen.“ Bleibt zu hoffen, dass derlei bald nicht mehr gebraucht wird – und das Geschlecht in der Kunst keine Rolle mehr spielt.
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