Der Traum von einem Paradies ohne Patriarchat: "Der Lesbengarten"

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Gastspiel bei den Wiener Festwochen: Rébecca Chaillon und Sandra Calderan machen ziemlich schräge Sachen - mit politischer Aussage.

Der Lieblingsstücktitel von Milo Rau war letztes Jahr „Fotzenschleimpower“. Da ist es fast logisch, dass der Intendant der Wiener Festwochen heuer „Der Lesbengarten“ als Gastspiel zeigt. Die durchaus saftige, von groteskem Humor durchzogene, zugleich sehr politische Performance von Rébecca Chaillon und Sandra Calderan ist bis 21. Juni im Nestroyhof Hamakom zu sehen.

„La Gouineraie“ bezieht sich auf „La Cerisaie“, also auf „Der Kirschgarten“. Anton Tschechow erzählt vom Ende der Bourgeoise – und das französische Lesben-Paar vom Ende des Patriarchats. Der Unterschied ist nur: Der wenig ertragreiche Kirschgarten wird gerodet; der Lesbengarten hingegen beginnt erst aufzublühen.

Warum als Untermalung mehrere Nummern von Joe Dassin verwendet werden, erklärt sich erst nach dem Studium des Programmhefts: Rébecca Chaillon hatte von einem Pariser Festival den Auftrag erhalten, ein Stück auf Basis des Songs „Ode to Billy Joe“ von Billie Gentry zu entwickeln. Zusammen mit ihrer Lebenspartnerin Sandra Calderan entschied sie sich für die Coverversion von Joe Dassin – und nahm die Handlung des Lieds als Grundlage. Und so bilden ungute Erinnerungen an Familienessen – der Vater redete, alle anderen hatten zu schweigen – den auch emotionalen Höhepunkt von „Der Lesbengarten“. Illustriert wird diese Szene mit einem wohl unbeabsichtigten Zitat der Tisch-Fallenbilder von Daniel Spoerri.

Die halbe Zeit verwenden Rébecca Chaillon und Sandra Calderan für die Gestaltung ihres „Lesbengartens“ auf. Die eine schraubt Regale, errichtet aus Holzklötzchen Türme und pflanzt Plastikstatuen in die Erde, die andere gestaltet mit dominanten Rosentapeten ein heimeliges, eher geschmackloses Umfeld. Äußerlich ziemlich gegensätzlich, garnieren sie ihre Aktionen mit recht viel Witz. 

Und sie sind alles andere als prüde. Die eine macht einen amüsanten Holzfällerhemd-Matrioschka-Striptease, die andere, die „Stadtlesbe“, legt gleich nach ihrem Erscheinen ihr grelles Outfit ab, um sich splitterfasernackt dem Bekleben von allen möglichen Gegenständen (inklusive des eigenen Körpers) wie den Wonnen des Landlebens (samt duftendem Heu) hinzugeben. Neben großzügig aufgetragenem Gleitgel kommt auch eine leckende Rindszunge zum Einsatz. Man staunt geradezu, was Rébecca Chaillon und Sandra Calderan alles einfällt. Aber so viel hätte ihnen auch nicht einfallen müssen. 

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