Burgtheater: Wandertag mit rosa Einhorn

Burgtheater: Wandertag mit rosa Einhorn
"Wie es euch gefällt" von William Shakespeare.

Shakespeares Stücke – die besten, die je geschrieben wurden – beginnen immer damit, dass es Menschen aus ihrer Bahn reißt. Hier geht es immer um den Ausnahmezustand, nie um die Normalität. (Shakespeare könnte derzeit großartige Stücke schreiben, wäre er nicht leider seit 400 Jahren tot.)

Ab in den Wald

„Wie es euch gefällt“ setzt mit einer Entmächtigung an: Der gute Herzog wurde von seinem bösen Bruder entthront und ist mit seinem Gefolge in den Wald geflohenen. Der neue, böse Herzog schickt ihm alle nach, die er für verdächtig hält, darunter die Tochter des Exherzogs, Rosalinde, und den jungen, ein wenig zu vorwitzigen Adeligen Orlando. Mit Rosalinde gehen deren beste Freundin Celia, Tochter des bösen Herzogs, und der Narr Touchstone.

Rosalinde und Orlando sind an fiebriger Liebe zueinander erkrankt. Da Rosalinde sich aber (sehr glaubwürdig) als Mann verkleidet hat, fällt es den beiden schwer, im Dickicht des Waldes zueinander zu finden.

Der geheimnisvolle Wald von Arden ist bei Shakespeare das, was er auch im Märchen immer ist: Ein Ort, wo Regeln und Gesetze aufgehoben sind, und wo merkwürdige Wesen umgehen, allen voran die Liebe. Und schon bald sind alle Waldbewohner in die merkwürdigsten erotischen Komplikationen verwickelt.

Burgtheater: Wandertag mit rosa Einhorn

An dieser Stelle ist wieder einmal folgender Einschub nötig: In Shakespeares Zeit wurden Frauenrollen von Männern gespielt. Shakespeare nimmt das zum Anlass, gerne als Männer verkleidete Frauen in seine Handlungen einzubauen. Das sind dann also Männer, die Frauen spielen, die Männer spielen.

Genderfluid

Es ist die erste große Stärke der Inszenierung von Tina Lanik, dass sie diese genderfluiden Verwicklungen mit viel Mut zur Poesie begeistert aufnimmt – in sehr freier Textfassung. Wer im Wald von Arden welches Geschlecht hat, ist ziemlich wurscht – alle lieben wild durch die Gegend, und ein rosa Einhorn (Bühne: Stefan Hageneier) ist stummer Zeuge.

Die zweite große Stärke des Abends ist Nina Siewert. Die im Sommer zum Burg-Ensemble gestoßene Schauspielerin gibt die zwischen Orlando und Celia (Sabine Haupt) erotisch tanzende  Rosalinde mit Anmut und Stil.  Wie sie den von den Hormonen gebeutelten Orlando (Christoph Luser) in die Kunst des Liebens einschult, ist herrliches Theater.

Gespielt wird, wie immer am Burgtheater, ausgezeichnet. Martin Reinke in der herrlichen Doppelrolle als guter und böser Herzog, Andrea Wenzl als großartig schäbiger, zwischengeschlechtlicher Narr, Lukas Vogelsang als Ringer und stämmiges Bauernmädchen ...

Die dritte große Stärke der Aufführung ist der Musiker Oskar Haag, der die Handlung mit zauberhaften Liedern begleitet, die ein wenig an die Formation Bright Eyes (kennt die noch wer?) erinnern und die Inszenierung in  ein märchenhaftes Licht stellen.

Burgtheater: Wandertag mit rosa Einhorn

Tempo?

Die Inszenierung hat aber auch eine Schwäche: Sie nimmt sich einfach zu viel Zeit, wo Tempo gefragt wäre, kommt die Geschichte immer wieder zum Stillstand, vor allem vor der Pause des drei Stunden langen Abends.

Am Ende gibt es dennoch großen Applaus für einen lohnenden Wandertag im Märchenwald der Gefühle. Es lebe die Liebe!

 

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