Benicio del Toro über Wes Anderson: Acht Stunden in der Badewanne

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Benicio del Toro und Mia Threapleton, Tochter von Kate Winslet, spielen Vater und Nonne in Wes Andersons melancholischer Spionage-Satire „Der phönizische Meisterstreich“.

Als Benicio Del Toro die ersten zwanzig Seiten des Drehbuchs von Wes Andersons neuem Film „Der phönizische Meisterstreich“ (derzeit im Kino) in den Händen hielt, war er hoch erfreut. Er sollte die Rolle des Zsa-Zsa Korda übernehmen, einen windigen Großindustriellen, der sich aufgrund seiner korrupten Machenschaften eine Menge Feinde zugezogen hat. Del Toro dachte, es würde so sein wie im letzten Wes-Anderson-Film, in dem er mitgewirkt hatte: In „The French Dispatch“ war er die Hauptfigur in einer von mehreren unabhängigen Episoden – und taucht danach nie mehr auf.

Nicht so im Drehbuch zu „Der phönizische Meisterstreich“: „Als mir Wes die nächsten zwanzig Seiten zuschickte, war meine Figur immer noch da. Und auch in den nächsten zwanzig Seiten“, erinnert sich der Oscarpreisträger vergnügt im KURIER-Gespräch: „Irgendwann dämmerte mir: Mayday, Mayday! Ich spiele die Hauptfigur des gesamten Films! Das wird sehr viel Arbeit ...!“

Aber natürlich, räumt er grinsend ein, „ist es eine tolle Rolle, die jeder Schauspieler gerne spielen würde“.

Wes Anderson wäre nicht Wes Anderson, würde er nicht wieder jede noch so winzige Nebenrolle mit kleineren oder größeren Stars besetzen. Von Tom Hanks im Trainingsanzug bis hin zu Johannes Krisch in Kardinalskutte tummelt sich alles, was zwischen Wien und Hollywood einen Namen hat.

Benicio Del Toro allerdings trägt unter den männlichen Darstellern die größte Bürde. Sein Zsa-Zsa Korda ist der Mittelpunkt von Wes Andersons melancholischer Spionage-Satire: Nachdem er im Jahr 1950 einen Flugabsturz überlebt hat, beschließt er, den Kontakt zu seiner einzigen Tochter, einer Nonne namens Liesl herzustellen. Sie soll offiziell sein Erbe antreten und mit ihm einen großen Geschäftscoup – den titelgebenden phönizischen Meisterstreich – ausführen.

Anderson ist berühmt für seine bis ins kleinste Detail streng komponierten Filmbilder. Und gleich die erste Szene seines „Meisterstreichs“ entpuppte sich als große Herausforderung: Benicio del Toro sitzt in einer Badewanne, während Krankenschwestern und anderes Personal in Zeitlupe um ihn herum wuseln: „Wes sagte zu mir: ,Ich drehe in Slow Motion, aber du musst ganz schnell spielen’“, erzählt Del Toro amüsiert: „Daraufhin ich zu Wes: ,Wenn du in Zeitlupe drehst und ich besonders schnell spielen soll, warum drehen wir dann nicht gleich in normalem Tempo? Kommt doch aufs Gleiche heraus!’“

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Vater und Tochter: Benicio del Toro und Mia Threapleton in "Der phönizische Meisterstreich"

Aber Wes Anderson bestand auf seiner Zeitraffer-Zeitlupen-Methode – und tatsächlich: „Ich saß für diese Szene acht Stunden in der Badewanne und wollte nur noch, dass wir fertig werden“, seufzt Del Toro: „Aber jetzt sehe ich, dass er recht hatte. Die Szene hat etwas ganz Besonderes: Sie ist weder Zeitlupe noch Nicht-Zeitlupe – und zählt mit zu den besten dieser Art, gemeinsam mit Scorseses ,Wie ein wilder Stier’“.

Schönheitsschlaf

Wes Anderson ist nicht nur bekannt für seinen unverwechselbaren Stil, sondern auch für seine ganz besondere Art, mit den Schauspielenden zu arbeiten. Wer einmal Teil seines Ensembles war, gehört zur „Filmfamilie“: Und die „Familie“ wohnt während der Dreharbeiten – diesmal in den Berliner Studio Babelsberg – gemeinsam im Hotel und tafelt abends in großen Dinnerrunden: „Das habe ich noch nie erlebt“, begeistert sich Mia Threapleton, die an Del Toros Seite die resolute Nonnentochter Liesl verkörpert: „Ich bin eine Newcomerin in der Welt von Wes Anderson und lerne die Filmindustrie gerade erst kennen“, bekennt die 24-jährige Tochter der britischen Star-Schauspielerin Kate Winslet, die für ihre Rolle einen sechs Monate langen Casting-Prozess durchlief: „Ich war als Neuling in der Filmfamilie dementsprechend nervös. Aber das Arbeitsumfeld, das Wes Anderson schafft, ist unglaublich warmherzig und unterstützend. Ich habe mich von Anfang an sicher und willkommen gefühlt.“

Auch Benicio del Toro hat die besten Erinnerungen an die legendären Dinnerrunden – wenn auch mit Einschränkungen: „Ich konnte nicht an allen teilnehmen, weil ich mich auf meine Rolle konzentrieren musste. Und ich brauche meinen Schönheitsschlaf.“

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