Wenn im Kit-Kat-Klub die Welten aufeinander prallen

Theater
Das Musical „Cabaret“ von John Kander, Fred Ebb und Joe Masteroff in Baden - erfreulich, aber auch ein bisschen brav

Diese Besetzung muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Drew Sarich, Ann Mandrella, Maya Hakvoort, dazu noch Artur Ortens, Alexander Donesch, Iva Schell sowie Jan Walter – Intendant Michael Lakner hat für die Neuproduktion des Kultmusicals „Cabaret“ in Baden weder Kosten noch Mühen gescheut.

Doch ist das Ergebnis tatsächlich so gut, wie die Namen suggerieren? Ja und mit wenigen Abstrichen (J)ein. Es heißt also wieder „Willkommen! Bienvenue! Welcome!“ im verruchten Kit-Kat-Klub im Berlin der 1930-er Jahre, wo ein Conférencier Menschen aller gesellschaftlicher Schichten und sexueller Orientierungen begrüßt. Der Star ist hier eine gewisse Sally Bowles, die den amerikanischen Schriftsteller Cliff Bradshaw bald nicht nur um den kleinen Finger wickelt. Dass nebenbei der NS-Terror vor der Tür steht, versuchen alle zu leugnen. Auch Fräulein Schneider und der Jude Herr Schultz, die in dem promiskuitiven, sich prostituierenden Fräulein Kost und dem überzeugten Nazi Ernst Ludwig ihr Gegenpaar finden.

Preisregen

All das haben Joe Masteroff (Buch), Fred Ebb (Lyrics) und John Kander (Musik) in „Cabaret“ grandios auf die Bühne gebracht. Sieben Tony Awards und acht Oscars für die (eher freie) Verfilmung mit Liza Minnelli waren der Lohn. Und auch in Baden macht Regisseur Leonard C. Prinsloo vieles richtig. Er vermeidet im klugen, mit Tableaus spielenden Bühnenbild von Alexandra Burgstaller jede Moralkeule, fokussiert sich auf die Einzelschicksale seiner oft auch mit Perücken (Kostüme: Mareile von Stritzky) ausstaffierten Protagonisten. Dass Dirigent Andjelko Igrec die herrliche Musik zwischen Ragtime und Jazz (man singt in deutscher und englischer Sprache und leider auch mit Mikroports) nur sehr brav und zögerlich zum Klingen bringt, ist schade.

Perückenliebe

Denn die Künstlerinnen und Künstler haben Klasse. Drew Sarich etwa als herrlich geheimnisvoller, androgyner (mit einer Weißhaarperücke) Conférencier, der im Kit-Kat-Klub die Strippen zieht. Dieser Sänger bräuchte kein Mikro, zu toll ist seine Stimme. Wie auch Ann Mandrella (Rothaarperücke!) als letztlich tragische Sally Bowles, die ihre Nummern und ihr Leiden glaubhaft gestaltet.

Ein Ereignis aber ist Maya Hakvoort als Fräulein Schneider – also in jener Rolle, die einst auch Lotte Lenya spielte. Wie Hakvoort zwischen aufrichtiger, zarter Liebe zu dem Juden Herrn Schultz (anrührend: Artur Ortens) und politischer Anpassung schwankt, ist brillant.

Mit Iva Schell (kurzfristig eingesprungen) hat Baden ein auch vokal sehr resolutes Fräulein Kost und mit Jan Walter als Ernst Ludwig den stückgemäß bösartigen Nazi-Profiteur. Ihnen allen steht mit Alexander Donesch ein sympathischer Cliff gegenüber, der in dieser Berliner Gesellschaft keine Zukunft hat. Cabaret“ in Baden kann sich sehen lassen. Ein bisschen mehr an Schärfe wäre aber auch nicht schlecht.

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