Wenn eine Krähe zur Therapeutin wird

Von Georg Krierer
Karl kann nicht fliegen. Er ist klein und verletzt. Eine Krähe, die dem Himmel entrissen wurde. Und er ist nicht allein. Die Hauptfigur und zugleich das erzählerische Alter Ego der Autorin Kaśka Bryla findet das kleine Tier und in ihm vielleicht das letzte Stück Verbindung zur Welt. Oder zu sich selbst.
Was folgt, ist kein klassischer Roman. Kein linearer Plot. Keine klare Struktur. Es ist ein Strom. Kaśka spricht mit Karl. Oder mit sich selbst. Oder mit ihrem verstorbenen Vater. Vielleicht ist das alles dasselbe. Vielleicht ist es auch egal, denn die Einsamkeit, die Krankheit, die Frage nach der eigenen Identität: All das ist real. Das Buch kennt keine Pause, kein Innehalten. Es zieht einen hinein, bis man selbst nicht mehr weiß, wo die Gedanken der Autorin enden und die eigenen beginnen – im Guten und im Schlechten.

Zeichensetzung
Bryla will viel und verliert dabei manchmal das Wesentliche. Der Verzicht auf Punktsetzung soll Gedankenstrom sein, wirkt aber oft anstrengend. Auch Kaśkas Leben am Rand der Gesellschaft und die Schatten der Familiengeschichte sind starke Themen, doch statt Nähe entsteht an manchen Stellen Distanz. Die emotionale Wucht, die die Bachmannpreis-Nominierte anstrebt, verpufft in sprachlicher Überladung. Ein durchaus mutiger Ansatz, aber nicht immer ein gelungener.
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