Welser-Möst-Abgang: Der Verlierer ist die Staatsoper

Ein Dirigent mit Brille und Anzug dirigiert ein Orchester.
Die Hintergründe für das Zerwürfnis zwischen Direktor Dominique Meyer und Franz Welser-Möst.

Dass die Zwangsehe zwischen Staatsopernchef Dominique Meyer und seinem Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst bald zerbrechen würde, war klar. Dass die Scheidung quasi über Nacht eingereicht wurde, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, zu Saisonbeginn an Österreichs größtem Theater, überraschte aber selbst Insider. Und dass sich der Dirigent mit der Vertragsauflösung gleich von allen 34 für diese Spielzeit geplanten Dirigaten zurückzog, zeigt, wie ernst die Lage ist.

Aber was sind die wahren Hintergründe für den publik gewordenen Streit? Was spielt sich (seit langem schon) hinter den Kulissen ab? Diese Fragen stellen sich Opernliebhaber seit Bekanntgabe des Rückzugs von Welser-Möst als Generalmusikdirektor (GMD).

Am Anfang stand Gusenbauer

Ein Mann in Anzug gestikuliert während einer Rede vor einem Mikrofon.
APA17627426 - 25032014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Staatsoperndirektor Dominique Meyer am Dienstag, 25. März 2014, während einer PK der Wiener Staatsoper mit dem Titel "Spielzeit 2014/2015" in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Angefangen hat alles mit Alfred Gusenbauer. Der damalige Kanzler wollte Neil Shicoff als Nachfolger von Ioan Holender als Operndirektor installieren. Seine Kulturministerin Claudia Schmied machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung, Dominique Meyer zum Operndirektor und desavouierte damit ihren Chef. Da in Wien damals noch kaum jemand Meyer kannte, Schmied aber eine große Lösung präsentieren wollte, musste kurzfristig auch ein Generalmusikdirektor gefunden werden. Es gab unter anderem Gespräche mit Christian Thielemann, die zu keinem Ergebnis führten. Welser-Möst konnte Stunden vor der Bekanntgabe für diesen Posten gewonnen werden – ohne dass er und Meyer einander persönlich gekannt hatten.

Die künstlerischen Vorstellungen divergierten schon bald massiv. Oft ging es um die Besetzung zentraler Partien, immer wieder um die Positionierung des Hauses, beim Mozart-Da-Ponte-Zyklus auch um Regisseur Jean-Louis Martinoty: Welser-Möst brach den Zyklus ab, weil er nach "Figaro" und "Don Giovanni" keine weitere Oper in einer solchen Inszenierung dirigieren wollte.

Der endgültige Bruch

Ein Mann in Anzug gestikuliert mit seinen Händen.
APA19627556_01082014 - WIEN - ÖSTERREICH: Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Donnerstag, 31. Juli 2014, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Schon vor Monaten, so hörte man, informierte Welser-Möst Kulturminister Josef Ostermayer über diese Probleme. Von völliger Überraschtheit im Ministerium kann also keine Rede sein. Zum endgültigen Bruch kam es bei einem Treffen zwischen Meyer und Welser-Möst, bei dem in weiterer Folge Holdingchef Günter Rhomberg zur (aussichtslosen) Schlichtung beigezogen wurde. Da soll es wieder um Besetzungen gegangen sein, um die Frage nach der Rolle eines GMD, der aus seiner Sicht zu wenig eingebunden werde, um eine Vision für das Haus, um die Angemessenheit künftiger Premieren. Enttäuscht zog Welser-Möst die Konsequenz. Ähnlich radikal, wie er sich nach dem Zerwürfnis mit Salzburg-Chef Alexander Pereira ebendort vom Da-Ponte-Zyklus zurückgezogen hatte (wenngleich die Tragweite diesmal viel größer ist).

Wird dieser Schritt rechtliche Konsequenzen haben? Eher nicht. Die Staatsoper könnte klagen, falls Zusatzkosten entstehen. Das wird sie wohl nicht tun, weil es ja Höchstgagen gibt, und die Einspringer vermutlich nicht mehr kosten als Welser-Möst. Außerdem wird man öffentliche Konflikte richtigerweise scheuen. Es wäre wohl auch unter den Würde von Welser-Möst, seinerseits zu klagen, was er ebenso könnte.

Vertrags-Passus

Es soll einen Vertragspassus geben, dass er bei musikalischen Fragen einbezogen werden müsse. Dazu dürfte es nicht immer gekommen sein.
Aber braucht die Oper überhaupt einen GMD? Nicht zwingend. Wichtiger als ein Titelträger ist ein Partner oder Widerspruchsgeist für den Chef. Wer soll das künftig sein? Im Idealfall hätte sich mit den Antipoden eine kreative Situation ergeben können. Jetzt steht Meyer alleine da.


Wem schadet dieser Schritt? Welser-Möst wohl nur finanziell. Er leitet mit Cleveland ein Toporchester, ist ein gefragter Operndirigent, hat zuletzt in München debütiert und könnte wohl auch bei Pereira an der Mailänder Scala dirigieren. Dazu freilich in Salzburg. Meyer wird diesen Eklat als Manager ebenso überstehen. Sein Bemühen geht nun dahin, möglichst rasch Ersatz für die 34 Abende zu finden. Intern wird es für ihn sogar leichter, extern jedoch schwieriger. Denn der einzige wirkliche Verlierer ist die Institution Staatsoper selbst. Da gab es zuletzt immer wieder Kritik, auch aus anderen Ländern, etwa an der szenischen Erstarrung. Schon seit Jahren werden Staatsopern-Premieren vom internationalen Feuilleton nicht regelmäßig wahrgenommen (im Gegensatz zu jenen im Theater an der Wien).

Schlimm fürs Image

Nach dem Burg-Skandal ist dieser Konflikt an der Staatsoper imagemäßig eine Katastrophe. Dass nun das Kulturministerium den Ball im Haus am Ring zu belassen versucht, ist zu billig. Selbstverständlich ist das auch ein Fall für den Eigentümer. Natürlich geht es jetzt um die Zukunft für das prestigeträchtige Haus. Die entscheidende Frage lautet also nicht: Wer der beiden hat den Schwarzen Peter? Relevant ist nur: Wie kann es künstlerisch möglichst gut weitergehen?

Der Rücktritt von Welser-Möst ist (wenn auch völlig anders gelagert) alles andere als ein Einzelfall, sondern passt in die Tradition im Haus am Ring. Die meisten Dirigenten stolperten – ob als Direktor oder Musikchef – im Amt oder zogen sich selbst zurück.

Den Rekord hält wohl Lorin Maazel. Als Pultstar 1982 zum Wiener Operndirektor befördert, kam bereits nach zwei Jahren das Aus. Ein "erhobener Zeigefinger" des damaligen Bürgermeisters Helmut Zilk soll es gewesen sein, der Maazel aus dem Amt katapultierte und Claus-Helmut Drese zum Nachfolger machte. So schreibt es Drese in seinem Buch "Im Palast der Gefühle". Dass für Drese und seinen damaligen Musikdirektor, Stardirigent Claudio Abbado, das Ende nach nur fünf Jahren kam, darf als Ironie der Operngeschichte bezeichnet werden.

Worüber Maazel stolperte? Über ein(heute längst übliches) System von Blöcken im Repertoiresystem, das bessere Proben ermöglichte.

Der Reformer

Ein Porträt des Komponisten Gustav Mahler mit Zwicker.
Wikimedia Commons Public Domain
Ja, die Staatsoper macht es ihren Chefs nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn Künstler mit Visionen an der Spitze stehen. Gustav Mahler war ein solcher. Als Direktor (von 1897 bis 1907) führte er die Oper in die Zukunft. Als Komponist, Dirigent und in ästhetischer Hinsicht. Zeitgenössische Werke, eine mit seinem Bühnenbildner Alfred Roller umgesetzte Opernreform prägten Mahlers Jahre. Der Dank? Widerwärtige, offen antisemitische Attacken gegen Mahler und Intrigen der Reaktionäre. Ergebnis: Mahlers Abgang im Zorn.

Der Gründer

Ein Schwarz-Weiß-Porträt des jungen Rudolf Steiner.
ARCHIV - Der Komponist und Dirigent Richard Strauss (1864-1949) im Jahr 1888 als Student. Foto: dpa (zu dpa-Themenpaket "Mit Richard Strauss ehrt die Musikwelt einen Klangzauberer" vom 05.06.2014, nur S/W) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Nicht viel besser ging es Richard Strauss. 1919, in Zeiten bitterer Not, wurde der Komponist und Dirigent Direktor, gemeinsam mit Franz Schalk. Seine Ideen konnte er in Wien aber nur bedingt umsetzen. Salzburg freut es bis heute, war Strauss doch einer der Mitbegründer der dortigen Festspiele. Strauss verließ die Staatsoper 1924, auch um der eigenen Karriere willen.

Der Karrierist

Ein anderer ebenso: Karl Böhm. Der politisch – höflich formuliert – überaus anpassungsfähige Dirigent war von 1943 bis 1945 für die Geschicke der Staatsoper verantwortlich; nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der Besatzungszeit übernahm Böhm das Amt 1954 erneut. Doch nach zwei Jahren war Schluss. In einem Interview mit Karl Löbl erklärte Böhm, dass er für den Job an der Staatsoper nicht seine internationale Karriere opfern werde. Das war neben den Vorwürfen seiner ständigen Absenz dann doch zu viel.

Der Herrscher

Leonard Bernstein dirigiert ein Orchester.
Herbert von Karajan. Honorarfrei - nur für diese Sendung bei Nennung ZDF und ORF
Böhms Nachfolger war ebenfalls Dirigent: Herbert von Karajan. Mit großem Sendungsbewusstsein und ebensolcher Durchsetzungskraft ausgestattet, kam Karajan 1956 nach Wien und machte sich von Anfang an Feinde. Er engagierte für Wien bis dato unbekannte, wiewohl fantastische Sänger, ließ Opern in Originalsprache spielen, setzte auf Gastspiele und Tourneen. Dabei war sein Verhältnis zum Staatsopernorchester, also den Philharmonikern, nie friktionsfrei. Ein absurder Streit über den Einsatz des so genannten "Maestro suggeritore" (einer Mischung aus Kapellmeister und Souffleur, Anm.) mit der Gewerkschaft und der Politik führte zu Karajans Rückzug. Den er übrigens nie bereut hat.

Der Direktor hatte aus gegebenem Anlass kaum Zeit, sich über dieses Meisterwerk zu freuen. Zwar war Dominique Meyer in der Staatsoper, die meiste Zeit verbrachte er allerdings am Telefon. Immerhin muss er dringend Dirigenten finden, die Franz Welser-Möst in dieser Saison ersetzen. Von Dvořáks "Rusalka" hatte Meyer daher wenig.

Das Publikum dafür umso mehr. Denn Dvořáks "lyrisches Märchen" rund um eine Wassernixe, die aus Liebe zu einem Prinzen zur Frau wird und letztlich am Menschsein scheitert, ist im Haus am Ring fast exemplarisch zu erleben.

Ein Mann mit Hut und Umhang steht in einer winterlichen Landschaft.
Rusalka
Das beginnt bei Tenor Piotr Beczala, der erstmals den Prinzen sang. Und wie! Beczala verfügt über eine wunderschöne, geschmeidige, lyrische, höhensichere Stimme; sein Tenor hat Schmelz und Glanz. Dazu kommt, dass Beczala auch noch ein fabelhafter Darsteller ist. Viel besser kann man diese Partie nicht mehr gestalten.

An seiner Seite: Einspringerin Olga Bezsmertna in der heiklen Titelpartie, welche die Sopranistin vokal sicher und sehr feinsinnig meisterte. Ein gelungenes Debüt, das Lust auf mehr macht.

Dazu kommen noch Günther Groissböck als wie schon bei der Premiere grandioser Wassermann, die tolle Janina Baechle als Hexe Jezibaba, die ausdrucksstarke Monika Bohinec als fremde Fürstin sowie ein top-besetztes, tadelloses Ensemble. Warum es für Dirigent Tomas Netopil auch ein paar Buhs gab, ist nicht nachvollziehbar. Er und das Orchester agierten meist souverän.

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