Lylit singt über Scham: „Der Übergriff ist wieder aufgepoppt“

Eva Klampfer: „Ich habe beschlossen, mir nie wieder die kreative Freiheit nehmen zu lassen.“
Das „Unangenehme ansprechen“ will Lylit mir ihrem Song „My Body“. Veröffentlicht wird er zwar erst Ende des Jahres auf ihrem nächsten Album. Vorstellen wird sie ihn aber schon am Freitag, wenn sie in Lunz am See das heurige Wellenklänge-Festival eröffnet.
Das steht unter dem Motto „Scham & Schönheit“, der perfekten Überschrift für „My Body“. Denn in dem Song geht es um einen sexuellen Übergriff und die damit verbundene Scham. „Der Übergriff ist ewig her und ich wollte nie einen Song darüber schreiben“, erzählt die als Eva Klampfer geborene Musikerin. „Aber ich wollte diesmal ein reduziertes Album nur mit meinem Gesang und dem Klavier machen und habe Themen gesucht, die zu diesem Rahmen passen. Der Übergriff ist dabei immer wieder aufgepoppt. Irgendwann hat er sich nicht mehr wegdrücken lassen.“
Radikal und direkt sei der Song, sagt die in klassischem Klavier und Jazzgesang ausgebildete Musikerin, die in ihren Songs beides kombiniert. Dass sie über derart Persönliches jetzt so ehrlich und klar singen kann, liegt auch daran, dass sie mit Schauspiel-Coach Kristian Nekrasov zusammengearbeitet hat. „Sein Ansatz ist Method Acting. Dabei geht man davon aus, dass man nicht in eine Rolle schlüpft, sondern dass ein Teil dieser Rolle in uns steckt und wir den aufblasen. Das geht aber nur, wenn man sich diese Teile genau anschaut und die Schutzmechanismen mit gezielten Übungen auflöst.“
Bei Lylit war es der Anspruch, perfekt und virtuos zu musizieren, den ihr Nekravsov als Erstes abtrainierte. Als Zweites, dass sie sich als Textautorin immer ins Narrative rettete, wenn sie auf den Punkt kommen wollte. Er riet ihr auch, die Texte vor der Musik zu schreiben. „Ich hatte das bis dahin ausschließlich umgekehrt gemacht. Aber dadurch wird der Inhalt das zentrale Thema. Generell geht es deshalb bei allen neuen Songs darum, die Dinge beim Namen zu nennen und zum Beispiel in familiären Beziehungen das Unangenehme anzusprechen. Sonst bläst sich Unausgesprochenes immer mehr auf, und dann ist das wie ein Ball, den man unter Wasser drückt und der dann raushüpft, wenn es gerade nicht passt.“
Musik zu „Eismayer“
Beim Wellenklänge-Festival wird sie noch zwei weitere Songs des Albums vorstellen. Lylit tritt dort mit Christl auf, wobei die beiden eigene Sets spielen, aber auch eine Kooperation vorbereitet haben, für die Lylit die Musik zu einem Text von Christl geschrieben hat.
Entstanden ist das Arrangement dazu an Lylits Keyboard-Burg, über der auf einem Board eine ROMY und der Österreichische Filmpreis stehen. Die 40-Jährige bekam die Awards für ihre Musik zum Film „Eismayer“. Sie liebt es, Filme mit Sounds zu illustrieren. Zum Glück, denn es ist auch eine Notwendigkeit. Weil sie als Independent-Künstlerin veröffentlicht, verdient sie mit eigenen Alben viel zu wenig.
„Ich hatte einmal in New York einen Vertrag beim Label von Kedar Massenburg, einem ehemaligen CEO von Motown“, erinnert sie sich. „Da war ich geknebelt. Er hat immer gesagt, ich soll weitere Songs schreiben, aber nie etwas veröffentlicht. Im Nachhinein bin ich draufgekommen, dass er das bei allen so gemacht hat, weil ihm das Geld ausgegangen war und er uns hinhalten wollte. Aber weil ich das nicht wusste, dachte ich, meine Songs sind nicht gut genug. Außerdem war da immer der Druck, du musst abnehmen, sonst kannst du nicht erfolgreich sein, deine ,Optik‘ passt nicht. Das hat mein Selbstvertrauen arg angeknackst, und ich habe beschlossen, mir nie wieder die kreative Freiheit nehmen zu lassen. Das wäre für mich der Tod.“
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