Neues Album: Die Strottern haben ihre „Sieben Zwetschken“ beisammen

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Strottern-Sänger und -Geiger Lendl über Offenheit in der Musik und gegenüber anderen Meinungen und die Aktualität von Nestroy

„Wenn es eine Aussage gibt, die sich thematisch durch das ganze Album zieht, dann ist das, nicht immer gleich eine Meinung zu haben und zu sagen, die, die anders denken, sind deppert“, sagt Strottern-Sänger und -Geiger Klemens Lendl. „Diese Polarisierung ist das, was uns gerade alle umtreibt.“

„Sieben Zwetschken“ heißt das eben erschienene Album, auf das sich der 53-Jährige bezieht. Lendl, sein Strottern-Partner, der Gitarrist David Müller, und das Musikerkollektiv Jazzwerkstatt Wien haben für dieses Album eigene Texte, aber auch welche von Johann Nestroy, Lukas Meschik und Teresa Präauer vertont – mit ihrer gewohnt spannenden Mischung aus Wienerlied und Jazz, die wegen der vielen Spielarten eine reizvolle stilistische Bandbreite bietet.

Vom Schnupftabak zur Wirklichkeit

Das Plädoyer dafür, offen für andere Meinungen zu sein, bringt Lendl am humorvollsten im Song „Mid Hausbrod“ rüber. Zu swingenden Bläsern und Free-Jazz-Improvisation zählt er in dem Text von Karl Stirner auf, was er gerne mit Brot genießt – das reicht vom Schnupftabak über die Butter bis zur Wirklichkeit. „Ich hab den Text bekommen und gewusst, das ist was für das Album mit der Jazzwerkstatt“, erinnert sich Lendl. „Dabei bleibt nämlich sehr viel offen. Man kann viel darüber nachdenken, und mir fallen immer noch neue Interpretationen dazu ein.“

Nestroys „Höllenangst“ im Hier und Jetzt

Die Verbindung zu den aktuellen Entwicklungen treten am eindrücklichsten in „Wenn Ka Teufel Nicht Wär“ hervor – einem Couplet aus der Nestroy-Posse „Höllenangst“. Die entstand 1849 nach der Revolution. „Teile der Musik habe ich vor sieben Jahren für eine Produktion am Volkstheater geschrieben“, erzählt Clemens Wenger, Mitbegründer der Jazzwerkstatt und Akkordeon-Spieler von 5/8erl in Ehr’n. „Dafür wurde – wie es zur Zeit Nestroys üblich war – der Text des Couplets adaptiert, um ironisch Entwicklungen aufzugreifen. Wenn wir das jetzt gemacht hätten, wäre der Teufel Donald Trump oder Facebook gewesen. Ich habe aber Klemens meine Melodie vorgespielt, er hat den Originaltext gelesen und instinktiv gesagt, dass er den singen will. Und das war perfekt. Denn das ist die große Qualität der Strottern: etwas vermeintlich Altes im Hier und Jetzt auf den Punkt zu bringen.“

Tatsächlich kriecht einem ob der Brisanz der uralten Zeilen die Angst in die Knochen – nicht nur wenn Lendl singt „D’ Leut’ woll’n nix mehr glaub’n und darum werfen s’ gern mit ’n Aberglaub’n um“ und resümiert: „Und ich frag’, ob’s nicht wahr is und g’wiss, dass die Freiheit uns aus’gangen is“.

Musikalischer Dialog

„Sieben Zwetschken“ ist das dritte Album der Strottern mit der Jazzwerkstatt. Gestartet wurde das Projekt 2009, als die Strottern etwas auf den Spuren der Alben von Kurt Sowinetz machen wollten, der „die spannendsten Texte gesammelt hat und mit den spannendsten Musikern umgesetzt“ hat. Man bekam schnell einen Auftrag von Wienerlied-Festival „Wean Hean“ und setzte die Kooperation gerne fort.

Lendl verneint, dass es Mut gebraucht hat, Wienerlied und Jazz zu kombinieren. Wenger ist da anderer Meinung: „Dieses In-den-Dialog-Gehen und offen für anderes zu sein, war für uns von der Jazzwerkstatt schon ein bisschen mutig. Denn in manchen Musikerkreisen wird sehr puristisch gedacht. Da wagt man sich nicht gerne in andere Metiers.“

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