Christian Thielemann, Einspringer für Daniel Barenboim am Pult der Staatskapelle Berlin, zelebriert die neue Wagner-Großproduktion. Es klingt phänomenal, er ist ein Meister des Erzählens, fühlt mit den Sängerinnen und Sängern mit - manchmal so sehr, dass er zum Augenblicke sagt, verweile doch, du bist so schön - und die langsamen Tempi ausreizt (wie etwa bei der Todesverkündung, wo er den armen Siegmund ganz schön schwitzen lässt).
Auch sängerisch ist dieses "Ring" bisher ein Hochkaräter. Michael Volle singt den Wotan bis zum Finale grandios, berührend in seinem Leid beim Abschied, dramatisch in seinen Ausbrüchen, nervös angesichts seiner fordernden Frau - eine Glanzleistung. Anja Kampe ist eine hinreißende Brünnhilde, geradezu lyrisch in vielen Passagen, nie schrill, aber kraftvoll genug in den "Hojotoho"-Rufen. Die Brünnhilde in der "Walküre" hatte sie bereits einmal gesungen (bei den Osterfestspielen in Salzburg), in Berlin singt sie erstmals alle Brünnhilden - man darf sich auf die weiteren Teile freuen.
Vida Mikneviciute, tags zuvor als Freia eingesprungen, ist ein Glücksfall von einer Sieglinde. Sie hat eine enorme Bühnenpräsenz, erinnert sogar an Asmik Grigorian, ihre Stimme ist kraftvoll, schön in der Höhe und ausdrucksstark, hoffentlich nimmt sie sich nicht zu rasch zu viel vor.
Robert Watson wurde als Siegmund mit einigen Buhs verabschiedet, obwohl er darstellerisch und sängerisch (an sein Timbre muss man sich etwas gewöhnen) gut agiert. Mika Kares ist ein mächtiger Hunding, Claudia Mahnke eine intensive Fricka, auch die Walküren sind famos besetzt.
Die Regie von Dmitri Tcherniakov wird nach dem "Rheingold" etwas klarer. Es scheint tatsächlich um Wotan als Oberchef eines Überwachungsstaates zu gehen, in dem auch vor Menschen- und Tierexperimenten nicht zurückgeschreckt wird. Siegmund ist ein ausgebrochener Häftling, Hunding ein Polizist, der Polizeigewalt spielen lässt. Die Walküren betreiben als Polizistinnen Feldforschung in Sachen Brutalität.
Wie das weitergeht, bleibt rätselhaft. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass die Personenführung sehr gut ist, jede einzelne Figur auf der Bühne intensiv. Was es gar nicht bräuchte, sind die ironischen Brechungen.
Am Donnerstag folgt "Siegfried", am kommenden Sonntag ist der neue Berliner "Ring" fertig geschmiedet.
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