Von Serafin und der Symbiose aus Kunst und Kommerz

PREMIERE SEEFESTSPIELE MÖRBISCH: SERAFIN
Stirbt mit Harald Serafin auch die Operette? Leider könnte man diesen Eindruck gewinnen. Ein neuer Antrag an das (fiktive) Kulturamt.

Sehr geehrtes Kulturamt!

Ich war mehrfach in Mörbisch, habe Harald Serafin sogar einmal die Hand geschüttelt und war erschüttert von der Nachricht seines Todes. Ich glaube, dass mit ihm auch die Operette als Genre zu Grabe getragen wird, so etwas kommt nie wieder. Daher beantrage ich die Streichung aller geplanten Operettenaufführungen auf österreichischen Bühnen. Ich weiß, dass Sie keine Zensurbehörde sind. Aber was man dort erlebt, hat mit Operette nichts zu tun.

Mit traurigen Grüßen, I. R.

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Sehr geehrte I. R.,

46-215470748

vielen Dank für Ihr Schreiben und für Ihren Antrag, dessen Einlagen wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 19/2025). Da wir, wie Sie korrekterweise schreiben, keine Zensurbehörde sind und auch nie eine solche werden wollen, müssen wir Ihr Ansuchen ablehnen, nehmen aber gerne inhaltlich Stellung dazu, weil sie einen wichtigen Punkt österreichischer musikalischer Identität ansprechen: den Umgang mit Operette. Der schwankt auf vielen uns bekannten Bühnen zwischen Lieblosigkeit, lächerlichen Erneuerungsversuchen, Ignoranz, geradezu Scham und dem Unwillen, neue und große Interpreten dazu zu verführen.

Wir teilen Ihre Sympathie für Herrn Serafin und die Bewunderung für sein Vermächtnis. Dieses besteht – neben erinnerungswürdigen Auftritten auf Bühnen und im Fernsehen – unserer Einschätzung nach vor allem aus Furchtlosigkeit vor Massenpublikum. Er war überzeugt davon, dass Kunst große Bevölkerungsschichten faszinieren kann und sich nicht im Elfenbeinturm abspielen muss. Das bedeutet nicht, dass es ratsam sei, dem Publikumsgeschmack hinterherzulaufen und sich künstlerisch zu verbiegen. Aber Qualität und breiter Anspruch sind nicht zwingend Antipoden, das hat Herr Serafin immer wieder bewiesen.

Er war sogar ein Reanimierer eines Faches, das, als er Mörbisch übernahm, in Wien scheintot war. Dass er in der Stadt, die als Ganzes traditionellerweise von Operettenhaftigkeit geprägt ist, nie eine Leitungsfunktion bekam, passt ins Bild von der allzu oft bewusst gezogenen harten Trennlinie zwischen Kunst und Kunden.

Auch heute noch greifen Intendanten Operette leider mit Glacéhandschuhen an, aber vielleicht bringt ja die kommende Silvester-„Fledermaus“ an der Staatsoper eine Rückbesinnung, wenn Jonas Kaufmann als Eisenstein debütiert. Das ist es, was wir mit Symbiose aus Qualität und Quote meinen. Und wir fragen uns bei dieser Gelegenheit, ob das Johann-Strauss-Jahr schon begonnen oder gar geendet hat.

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