Vergangen, vergessen, vorüber: In Brauning häufen sich Einzelfälle

Der Wirt mit NS-Vergangenheit und sein Faktotum: Günter Franzmeier und Claudius von Stolzmann
Dem Josefstädter Theater ist hoch anzurechnen, weiterhin die Stücke von Fritz Hochwälder zu spielen, der in den 1950ern quasi Hausdramatiker des Burgtheaters gewesen war. Und sich im Falle der bitterbösen Komödie „Der Himbeerpflücker“, die kürzlich in den Kammerspielen Premiere hatte, zudem der Werktreue verpflichtet zu fühlen. Stephanie Mohr hat sie tatsächlich vom Blatt inszeniert.
Dennoch hätte eine Kommentierung oder Einordnung gutgetan. Denn Hochwälder, der 1938, nach dem „Anschluss“, in die Schweiz flüchtete, verarbeitete in seinem klassisch gebauten Dreiakter, 1964 geschrieben, die nicht erfolgte Entnazifizierung.
Zwei Jahrzehnte nach Ende des Dritten Reichs lebt die NS-Ideologie in Bad Brauning weiter: Im höllisch dampfenden Extrazimmer des Gasthofs „Zum weißen Lamm“ schmoren die Kameraden im eigenen Saft, da heißt Ehre weiterhin Treue. Es versteht sich von selbst, dass man den von der Justiz gesuchten Kameraden hilfreich zur Seite steht. Ortskaiser Steisshäuptl allerdings bereitet die Ankunft des Himbeerpflückers, der im KZ Wüstenhofen 6.000 Menschen oder mehr abknallte, eher Unbehagen. Denn nach dessen Flucht 1945 ließ der stramme Wirt Kisten mit Zahngold verschwinden. Allerdings kennt niemand die Visage. Und so wird ein Dieb, der Angst vor Blut hat, für den Schlächter gehalten.
Miriam Busch hat eine ansprechend vertäfelte Wirtsstube mit Musicbox gezimmert, aus der unter anderem „Vergangen, vergessen, vorüber“ von Freddy Quinn erklingt. Doch die Schank befindet sich tückischerweise in lichten Höhen. Und Stephanie Mohr verzichtet auf eine Pause: Sie lässt das Ensemble in nicht einmal zwei Stunden durch die Dialoge hasten. Feiner Humor und Figurenzeichnung bleiben auf der Strecke. Stattdessen muss Susanna Wiegand als Köchin löwingerbühnenartig ihren Hintern rausstrecken. Und Claudius von Stolzmann darf Klamauk ohne Ende machen. Sein Kellner Zagl mit Brille, verkürztem Bein und luckertem Haar ist dennoch ein hinreißendes Faktotum. Alexander Strömer brilliert als Baumeister, Günter Franzmeier als bärbeißiger Steisshäuptl. Das übrige Ensemble könnte mehr.
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