Venedig: Filmfestival im Star-Regen

Eröffnungsfilm: Toni Servillo in Paolo Sorrentinos Liebesgeschichte „La Grazia“.
Ein Gewinner der diesjährigen Filmfestspiele in Venedig steht bereits fest. Der deutsche Radikalfilmemacher Werner Herzog („Fitzcarraldo“) wird anlässlich der Eröffnung Mittwoch Abend einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhalten. Ihm zu Ehren reist sein legendärer Regie-Kollege Francis Ford Coppola an den Lido und hält die Laudatio. Ganz im Zeichen der Männerrunde geht es dann weiter, wenn der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino mit Toni Servillo, dem Star seines Films „La Grazia“, das Filmfestival eröffnen wird.
Nicht allzu viele Regisseurinnen hat Festivalchef Alberto Barbera heuer für seinen Wettbewerb um den Goldenen Löwen (bis 6. September) gefunden, aber ein paar gibt es doch – und ein großes Aufgebot an Hollywoodgrößen.
Die zweifache Oscarpreisträgerin Kathryn Bigelow („Tödliches Kommando – The Hurt Locker“) beispielsweise zeigt ihren Nuklear-Thriller „A House of Dynamite“ und wird von Stars wie Idris Elba und Rebecca Ferguson begleitet. Zudem werden Großkaliber wie Julia Roberts, George Clooney, Al Pacino und Christoph Waltz erwartet.
Was Julia Roberts betrifft – die übrigens erstmals ihren Fuß auf den roten Teppich in Venedig setzt – , ist die Erwartungshaltung besonders hoch: In „After the Hunt“ spielt sie eine College-Professorin, die am Scheideweg steht, nachdem ihrem Kollegen und engem Freund – dargestellt von Andrew Garfield – die Vergewaltigung einer Studentin vorgeworfen wird. Als Regisseur zeichnet der profilierte Italiener Luca Guadagnino („Call Me by Your Name“, „Challengers“) verantwortlich und lässt auf ein vielschichtiges MeToo-Drama auch höchstem Niveau hoffen.
Frankenstein und Putin
Gespannt darf man auch auf den neuen Film von Olivier Assayas („Carlos – Der Schakal“) sein: „The Wizard of the Kremlin“ erzählt – nach der Romanvorlage „Der Magier im Kreml“ – vom Aufstieg Wladimir Putins aus der Sicht seinen jungen, fiktiven Beraters, der an den russischen Politiker Wladislaw Surkow angelehnt ist. Jude Law verkörpert die Rolle des russischen Autokraten, während Paul Dano die Erzählperspektive übernimmt.
Weiters hat sich der sardonische Grieche Yorgos Lanthimos mit der Science-Fiction-Komödie „Bugonia“ – mit Emma Stone und Jesse Plemons in den Hauptrollen – angekündigt. Al Pacino ist gleich zwei Mal im Kino zu sehen – einmal in Julian Schnabels Dichter-Film „In the Hand of Dante“ und in Gus Van Sants Krimi „Dead Man’s Wire“. Und schließlich steht auch noch der immer coole Jim Jarmusch mit seiner lakonischen Komödie „Father Mother Sister Brother“ mit Cate Blanchett, Adam Driver, Tom Waits und Vicky Krieps – Österreichs Sisi in „Corsage“ – auf dem Programmzettel.
Österreichische Schauspielkunst glänzt in einer garantiert schaurigen Neuauflage von „Frankenstein“ unter der Regiehand des dreifachen mexikanischen Oscarpreisträgers und Fantasy-Aficionados Guillermo del Toro („Pans Labyrinth“). Sowohl Christoph Waltz – seines Zeichens zweifacher Oscarpreisträger – als auch Burgtheaterschauspieler Felix Kammerer („Im Westen nichts Neues“) gehen Victor Frankenstein (Oscar Isaac) bei der Erschaffung seines tragischen Geschöpfs Frankenstein (Jacob Elordi) zur Hand.
Hoffentlich um einiges heiterer geht es in der neuen Tragikomödie „Jay Kelly“ vom Beziehungsspezialisten Noah Baumbach („Marriage Story“) zu. George Clooney spielt einen berühmten Filmschauspieler – also quasi sich selbst – , der mit einem alten Freund ein Wochenende in Europa verbringt und dabei komische Missgeschicke erlebt. Für hohes Humorlevel mit Tiefgang sorgt (hoffentlich) Clooneys Spielpartner, der unvergleichliche Adam Sandler.
Netflix am Lido
Dass Alberto Barbera heuer wieder sein Festival mit so viel Hollywood-Glamour erhellen kann, verdankt er nicht zuletzt seiner Offenheit gegenüber Streamingdiensten wie Netflix und Amazon. Venedigs ewiger Konkurrent, das Filmfestival in Cannes, zeigt aufgrund seiner strengen Kino-Auswertungen in Frankreich praktisch keine von Streamingdiensten produzierten Filme im Wettbewerb. Barbera hingegen hieß die Streamer von Anfang an willkommen und steht nicht zuletzt deswegen im Star-Regen. Sowohl „A House of Dynamite“, als auch „Jay Kelly“ und „Frankenstein“ sind hochkarätige Netflix-Originale und laufen im Wettbewerb um den Löwen. Nicht umsonst versteht sich das Festival auch als wichtige Startrampe für die Oscarsaison.
Kommentare