"South Pole": Eine klirrend kalte Expedition

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Erfolgreiche Uraufführung der Oper "South Pole" von Miroslav Srnka in Starbesetzung.

Ja, man kann mit Neuer Musik auch einen großen Publikumserfolg landen.

Ja, man braucht Uraufführungen, um das Genre Oper voranzutreiben.

Und ja, es ist wichtig, ein solches Unternehmen nicht alibihalber zu programmieren, sondern mit einer erstklassigen Besetzung und einem Rahmenprogramm (Filme, Konzerte, Ausstellungen zur entsprechenden Thematik) ins Zentrum zu rücken.

All das beweist gerade die Bayerische Staatsoper München mit der Oper "South Pole" des 40-jährigen tschechischen Komponisten Miroslav Srnka (Libretto: Tom Holloway). Nach der Uraufführung am Sonntag gab es 20 Minuten lang Jubel – für ein hochkomplexes, intellektuell anspruchsvolles Werk.

Sämtliche Folgevorstellungen sind ausverkauft. Grund zur Freude auch für den österreichischen Intendanten des Hauses, Nikolaus Bachler, der in seiner achten Saison bereits die dritte Uraufführung auf die große Bühne brachte (seine insgesamt siebente in München).

Die echte Reise

" South Pole" behandelt den Wettlauf zwischen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen zum Südpol in den Jahren 1911/’12. Die Handlung beginnt mit dem Telegramm, das Amundsen an Scott schickt, um ihm mitzuteilen, dass er auch den Südpol anpeilt – bis zu diesem Zeitpunkt war man davon ausgegangen, dass der Norweger zum Nordpol will.

Amundsen erreicht das Ziel als Erster, Scott kommt fünf Wochen später an und stirbt auf dem Rückweg. Großes Drama, Emotion, Überschreitung der Grenzen, Kampf Mensch gegen Natur – alles ideal für eine Oper.

Srnka und Holloway bleiben nahe an den historischen Begebenheiten, wählen jedoch für ihre Expedition auch den schwierigen Weg: Sie erzählen die Geschichten der Protagonisten parallel, schaffen eine Doppeloper, die gleichzeitig auf der Bühne stattfindet. Die Perspektiven überlagern einander ebenso wie die musikalischen Linien.

Die musikalische Reise

Das stellt die Hörer vor große Herausforderungen, weil es wenige wiedererkennbare Motive gibt und komplizierte Harmonien, dafür aber faszinierende Klangflächen und packende atmosphärische Zeichnungen. Komposition wie assoziative, abstrakte Malerei – mit Schilderung der klirrenden Kälte, fröstelnden Geigen im Flageolett, zitternden Harfen, gefrierenden Akkordeonklängen etc. Im zweiten Teil dann, wenn sich die Geschichten der Protagonisten auseinander bewegen, wird es bedeutend klarer und sehr berührend.

Kirill Petrenko am Pult des Bayerischen Staatsorchesters schafft mit diesem eine mitreißende Klangkulisse in größter Präzision und gestaltet auch die Zwischenspiele grandios. Man kann sich nur ausmalen, wie viel Probenarbeit dahinter steckt.

Genial ist die Idee, das Team des Verlierers Scott durchwegs mit Tenören zu besetzen und die kräftigere Amundsen-Truppe mit Baritonen. Schon vor fünf Jahren, als der Kompositionsauftrag der Bayerischen Staatsoper an Srnka erging, stand fest, dass Rolando Villazón bzw. Thomas Hampson die zentralen Partien singen würden.

Der Komponist stellt die beiden vor große Herausforderungen, sie müssen sich mit viel Kraft gegen das riesige Orchester behaupten, es gibt nicht allzu viele zarte Momente und so gut wie keine Melodien, an denen sie (und auch die Besucher) sich festhalten können.

Hampson, der famose Darsteller, der vom gnadenlosen Egozentriker im Seehund-Fell zum Triumphator und Sir im Frack wird, gelingt das auch sängerisch exemplarisch gut. Er ist der Star der Aufführung, während Villazón (mehr italienisch als britisch) den zerbrechlicheren Scott gibt und stimmlich mehrfach ans Limit gerät. Gut besetzt sind Tara Erraught als Kathleen Scott und Mojca Erdmann als Landlady, die in Traumsequenzen auftreten, sowie Dean Power (Lawrence Oates) und Tim Kuypers (Hjalmar Johansen).

Die szenische Reise

Die Inszenierung von Hans Neuenfels geht den umgekehrten Weg des Komponisten: Reduktion statt vieler Schichten, Simplifizierung statt Intellektualisierung. Auf der kalten, weißen Bühne mit einem schwarzen Kreuz als Ziel inmitten erzählt Neuenfels die Geschichten symmetrisch streng getrennt fast wie ein Kammerspiel. Das ist einerseits erfrischend klar, andererseits gibt der Regisseur dem Wettlauf dadurch nur wenig Raum.

Leicht wird es einem nicht gemacht bei dieser Produktion, aber auch das ist eine besondere Qualität.

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