Jelinek geht grandios in sechs Stunden (wie einst Einar Schleef im Burgtheater mit dem „Sportstück“ bewies), aber nur sehr schwer in 60 Minuten. Dieses Zeitmaß war jedoch die Vorgabe von Ali M. Abdullah und Harald Posch, die aus nicht ganz erklärlichen Gründen mit Saisonende die Leitung des Werk X Meidling abzugeben haben.
Als Teil ihres „Grande Finale“ beauftragten sie Inszenierungen von gleich vier Elfriede-Jelinek-Stücken: Unter dem durchaus programmatischen Titel „Ich will kein Theater, ich will ein anderes Theater“ werden sie am 13. Mai ab 18 Uhr hintereinander gezeigt. Verbindendes Element ist die mal mehr, mal weniger genutzte Bühnenbildinstallation von Katarina Daschner mit einer abstrahierten „Vagina Dentata“ als metallischer Triumphbogen.
Am 27. April hatten „Aber sicher!“ und „Strahlende Verfolger“ Premiere (der KURIER berichtete), am 4. Mai folgte „Das Licht im Kasten“ über Mode und Konsumismus. Regisseurin Thirza Bruncken hat eine neonfarbengrelle Poolparty mit Tanzmusik ausgerichtet und lässt ihr weibliches Quintett mit ultralangen Plastikstrohhalmen gemeinsam Aperol Spritz aus einem Riesenhumpen schlürfen.
Aus Zeitnot werden die Satzvariationen im Affentempo runtergerattert. Währenddessen verwandeln sich die billigen Girlies (eingekleidet von Renato Uz) allmählich in biedere Businessfrauen. Insgesamt recht enttäuschend.
Spielleiter (Malakoff Kowalski) jagt in Zeitnot den Jelinek-Text durch das KI-Programm. Im Hintergrund die Bühnenbildinstallation von Katarina Daschner mit einer abstrahierten „Vagina Dentata“ als metallischer Triumphbogen
Den avanciertesten Zugriff wagte Angela Richter mit der „österreichischen Erstaufführung“ von „Tod-krank.Doc“, die sich in eine Uraufführung verwandelte. Zunächst bringen Wojo van Brouwer und Malte Sundermann als Showmaster in Wechselrede Jelinek-Doppeldeutigkeiten zu Gehör. Es dürfte sich um eine öffentliche Probe handeln, es mangelt an Textsicherheit.
Lyrik für Rammstein
Doch nach 20 Minuten mischt sich der Spielleiter (Malakoff Kowalski) ein: In diesem Tempo würde die Aufführung Stunden dauern. Der Text müsse radikal gekürzt werden. Der Zeitplan – nur zehn Tage bis zur Premiere am 10. Mai – lasse eine seriöse Strichfassung nicht zu. Und so „jagt“ er die einzelnen Kapitel durch das KI-Programm ChatGPT. Beim einen oder anderen Textbrocken (etwa über den Fall Fritzl) verweigert es die Dienste, da die Inhalte gegen die Richtlinien verstoßen. Aber Songs (im Stil von Billie Eilish oder Rammstein) und eine kindgerechte Zusammenfassung liefert die KI dann doch. Die Ergebnisse sind völlig absurd.
Wenn die 70 Minuten, die auch eine Hommage an Christoph Schlingensief sind, etwas beweisen, dann: Elfriede Jelinek kann durch keine KI ersetzt werden. Gut so.
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