Bei einem Live-Gespräch zwischen „Mission: Impossible“-Filmemacher Christopher McQuarrie und Tom Cruise versicherten sich Star und Regisseur wechselseitig ihrer Hingabe an ein Kino der maximalen Höchstleistungen.
Weder kenne er das Wort „Nein“, noch ließe er sich von Angst steuern, beteuerte der mittlerweile 62-jährige Cruise: „Mir macht es nichts aus, dem Unbekannten zu begegnen, und ich mag das Gefühl. Es lähmt mich nicht.“
Gelähmt sieht er tatsächlich nicht aus, wenn er in der Luft die Schwerkraft zu überwinden scheint oder in den Kammern des gesunkenen russischen U-Boots Sevastopol herumschwimmt. Doch gerade die Unterwasserszene am trüben Meeresgrund, wo Ethan Hunt nach dem ... äh ... Quellcode einer künstlichen Intelligenz namens „Die Entität“ taucht, um die Welt zu retten, zieht sich in die Länge.
Überhaupt fühlen sich die Übergänge zwischen den – wahrhaft spektakulären – Actionszenen wie Langstreckenläufe an, bei denen man beginnt, auf die Uhr zu schauen.
Eine der Stärken des ersten Teils bestand in der Abwechslung: Da gab es heitere Sequenzen wie etwa jene, in der Hunt mit Handschellen an die Taschendiebin Grace (Hayley Atwell) gefesselt war und mit ihr im Kleinwagen auf der Flucht über die Spanische Treppe in Rom hoppelte.
Doch der Spaß ist jetzt vorbei. Von dem Flirt, der sich damals zwischen Ethan und Grace anbahnte, blieb wenig übrig, dazu ist die Weltlage zu gravierend. Nichts weniger als die Auslöschung der Menschheit steht auf dem Spiel, wenn Hunt nicht rechtzeitig Bösewicht Gabriel (Esai Morales) davon abhält, sich mit der gefährlichen KI zu verbinden.
Die Dramatik dieses drohenden Schicksals lastet nicht nur drückend auf Hunt, sondern auch auf der bierernsten Filmhandlung, die unter der messianischen Schwere der Mission zu ersticken droht. Zudem lässt sich Cruise zu sehr als Weltenretter abfeiern und drängt mit seiner allmächtigen Star-Persona sein Team in den Hintergrund. Kino als Hochleistungssport ist gut und schön, aber ein bisschen Spaß sollte es auch machen.
Deutsches Geisterhaus
Während die Amerikaner an der Croisette ihren Blockbusterlärm veranstalten, entfaltet sich der deutsche Wettbewerbsfilm von Regisseurin Mascha Schilinski in aller Stille: „In die Sonne schauen“ erzählt über vier Frauengenerationen hinweg – beginnend vor dem Ersten Weltkrieg bis hinein in die 1970er-Jahre – eine von Gewalt durchtränkte Familiengeschichte in der norddeutschen Provinz. In einem Vierkanthof, der die Züge eines Geisterhauses annimmt, fließen auf unterschiedlichen Zeitebenen die Schicksale von vier jungen Mädchen und Frauen zusammen. Aus deren (Schlüsselloch-)Perspektive, die manchmal aus dem deutschen Kaiserreich, manchmal aus der jüngeren Gegenwart stammt, werden Alltagsroutinen wie Familienfeiern, Feldarbeiten oder Totenmessen registriert. Unter den häuslichen Ritualen lauern subkutan die Traumata erlittener Gewalt – sei es körperlicher oder seelischer Natur – von Mascha Schilinski in schwebende Bilder gegossen. Der Wettbewerb hat kaum begonnen, und doch wird „In die Sonne schauen“ bereits als ein Favorit gehandelt.
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