Viel Futter fürs Hirn, wenig fürs Herz

Die deutsche Band Tocotronic spielt ein Konzert auf einer Bühne.
Tocotronic stellten im Wiener Burgtheater ihr eben erschienenes Album "Wie wir leben wollen" vor.

Viel geht bei Tocotronic über die Texte. Sehr viel. Fast zu viel. Denn als das Quartett Mittwochabend im Wiener Burgtheater das neue Album „Wie wir leben wollen“ vorstellte, blieb die Stimmung durchwegs wohlwollend höflich, wurde aber nie euphorisch. Dabei gehört es eigentlich genau in diesen ehrwürdigen Tempel des gesprochenen Wortes, wenn Dirk von Lowtzow singt: „Bitte oszillieren Sie zu dieser Zwitscher-Melodie“. Oder sich in „Abschaffen“ überlegt, ob Menschen, die „in Einzahl vegetieren“ nach der Revolution vielleicht doch „in Plural existieren“.

Wortwitz, clever aufgebaute Abhandlungen über Soziales, Politisches und Philosophisches waren seit jeher die Stärke von Tocotronic. Wer deshalb ins Burgtheater kam, wurde gut bedient.

Impressionen aus dem Burgtheater

Ein Mann spielt Gitarre und singt, während ein anderer Schlagzeug spielt.

KONZERT: TOCOTRONIC
Eine Band spielt auf einer Bühne vor einer roten Leinwand mit einem weißen Handabdruck.

KONZERT: TOCOTRONIC
Ein Mann mit Hemd steht am Mikrofon auf einer Bühne.

KONZERT: TOCOTRONIC
Ein Mann spielt Bassgitarre auf einer Bühne vor einem roten Hintergrund.

KONZERT: TOCOTRONIC
Zwei Musiker treten live auf der Bühne auf, einer spielt Gitarre, der andere Schlagzeug.

KONZERT: TOCOTRONIC
Die deutsche Band Tocotronic spielt ein Konzert auf einer Bühne.

AUSTRIA MUSIC

Schwellenangst

Wer zusätzlich Spaß haben wollte, Musik hören, die ohne Umweg übers Hirn unter die Haut geht, hatte Pech. Zunächst schon einmal mit den Plüschsesseln. Offenbar gebieten die derart viel Ehrfurcht, dass die Schwellenangst vorm Prunkpalast das Aufstehen und Mittanzen verbietet.

Dazu kommt, dass der Tocotronic-Sound prinzipiell wenig Dynamik hat. Permanent schrammeln die Hamburger auf ihren Gitarren dahin, mal schneller, mal langsamer, mal wütender, mal braver. Und auch die Melodien sind häufig monoton, haben wenig Bewegung. Gut, Lowtzow ist ja auch nicht mit einer Powerstimme gesegnet, die große Sprünge im Stimmumfang zulässt. Er spricht die Texte mehr, als er sie singt, bewegt sich dazu ziemlich linkisch und wirkt – 20 Frontmann-Dienstjahre hin oder her – wie ein schüchterner, farbloser Anfänger. Und selbst wenn zwischendurch bei „Hi Freaks“ oder „Kapitulation“ Leidenschaft und unbekümmerte Ausgelassenheit aufblitzen, sie bleiben gleich beim nächsten Song wieder tief im Intellekt vergraben.

Möglich, dass auch Lowtzow Schwellenangst hatte, zu große Ehrfurcht vor der „großen Ehre, in der Burg spielen zu dürfen“, dass er zu konzentriert oder nervös (oder beides) war, um Spaß zu haben. Aber am Ende konnten Tocotronic im Burgtheater nur passabel unterhalten, nicht aber begeistern.

KURIER-Wertung: *** von *****

Tipp: Für alle, die keine Tickets zum Jubiläumskonzert ergattern konnten, hat der Radiosender "FM4" den Auftritt live übertragen. Und die nächsten Chancen, Tocotronic in Österreich zu feiern, gibt es bereits in zwei Monaten: Am 7. April gastieren sie im Grazer Orpheum, am 9. April in der Wiener Arena und am 10. April im Linzer Posthof.

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