"Sommernachtstraum" im Südbahnhotel: Poesie statt Renovieren

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Mit dem „Sommernachtstraum“ kehren die Festspiele Reichenau ins Südbahnhotel zurück.

Jetzt will man, ruft Puck indigniert, „diesen alten Kasten auch noch mit Literatur belasten“?

Gekichere im Publikum.

Schließlich steht man gerade im schönsten aller alten Kästen, dem Südbahnhotel am Semmering. Noch dazu an einem schönen Moment: Die Festspiele Reichenau, deren Erfolgsgeschichte zentral mit der einzigartigen Atmosphäre des legendären Hotels zusammenhängt, haben die charmant überlebten Räume heuer wieder als Theaterort im Angebot.

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Gleichsam auf Zehenspitzen spielt man hier Theater, wohl, auf dass man den Ort nicht aus seinem zauberhaften Dornröschenschlaf wecke. Denn, klar, ruft Puck, viel gescheiter wäre hier doch, Wellness statt Shakespeare anzubieten. Wieder wissendes Gekichere im Publikum.

Wobei, Wellness und Shakespeare, das geht gerade beim „Sommernachtstraum“ doch ganz wunderbar zusammen.

Einerseits, weil das Hitstück eine fast unkaputtbare Vorlage für die Regie ist: Es verträgt jedwede Umsetzung vom prätentios-pathetischen Märchen zum Ausloten der toxischen Spiele, die Oberon und Puck mit den Menschen so aufführen. Und andererseits, weil der gute alte William sich in dem Stück selbst beim Theatermachen zuschaut; was wäre also besser für die Rückeroberung des Südbahnhotels geeignet?

Die Chefin selbst hat sich des Stoffes angenommen, und Maria Happel macht daraus genau das, wofür man nach Reichenau fährt: gehobenes, luxuriös besetztes Sommertheater, gegen das man in der regulären Saison vielleicht Einwände hätte, an die man sich aber in der traumhaften Kulisse bei traumhaftem Wetter gerade nicht erinnern kann.

Da steht man also zuerst im Foyer, wo ein Vorspiel die Gemengelage des Stücks aufschlüsselt: Die Figuren stehen in einer poetischen Versuchsanordnung auf kleinen Podesten und erklären, was sie so bewegt; die Liebe, die Poesie, die Fadesse. Dass man, egal wo man steht, nicht alles sieht – geschenkt. Denn gleich darauf geht es – von Elfengesang im Stiegenhaus motiviert – nach oben, in den Waldhofsaal mit seinem herrlichen Ausblick. Und da geht es so richtig los.

Drinnen und Draußen

Wer braucht an so einem Ort eine Kulisse? Das Spiel im Spiel im Spiel dreht sich zwischen Drinnen und Draußen, die Terassentüren sind Dreh- und Angelpunkte. Oberon (Nicolas Brieger) hetzt also wieder Puck (Ludwig Blochberger), der hier Schottenrock mit Short drunter trägt und das Spiel eher ernst als leicht meint, mit Liebesfluch auf die Menschen und seine Titania (Barbara Petritsch).

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Lysander (Sebastian Egger) und Demetrius (Johannes Deckenbach) sind hier Rich Kids im Sylt-Outfit – und leichte Opfer, sind doch ihre gemeinsamen Liebesobjekte Hermia (Laura Dittmann) und Helene (Pia Zimmermann) so täuschend ähnlich gestylt, dass man auch ohne Zauberblume selbst verwirrt sein kann. Manch’ aktionistischer Leerlauf müsste nicht sein, zuweilen wird hier statt Emotion auf Lautstärke gesetzt. Aber ja, hier entsteht er, der Sommernachtstraum von der Flüchtigkeit der Liebe, von der Pein des Zufalls und des Schicksals.

Auch die braven Handwerker, die im Foyer unten noch Renovierungsarbeiten am Südbahnhotel fingiert hatten, proben ihr ungelenkes Stück, es ist dann im zweiten Teil, unten im Speisesaal, schlicht herzergreifend: Hier gelingt, was gemeint ist: Kein Vorführen von Tölpeln nämlich, sondern die Geburt des Theaters aus der verzweifelten Unvollkommenheit des Menschen und dem daraus abgeleiteten Bewusstsein, dass es ohne diese flüchtigen Bühnengeister nicht geht, mit denen wir uns das Leben vorführen.

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Sebastian Wendelin (der zuvor, in einen Esel verwandelt, die orgiasmischsten I-Ahs gerufen hat, die man je gehört hat), Florian Carove, Jakob Semotan und die anderen bannen, zum flackernden Schein der Luster, den Theaterzauber. 

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Martin Schwab als (quasi als Tourguide hinzugefügter) Poet bleibt der Beginn – und das Schlusswort, als das Herzogspaar schlafen gegangen ist. Nein, er werde nicht renovieren, „dafür bin ich nicht bestellt“, sinniert er am Schluss ins Südbahnhotel hinein. „Ich blas den Staub nur aus dieser Welt“, sagt er und geht, den Mauern Leben einhauchend, ab.

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