"Der Mann ohne Eigenschaften": Performance ohne Parallelaktion

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Jakub Kavin, Leiter der TheaterArche, versuchte sich mit einem riesigen Ensemble an Robert Musil. Eine Poetry Slammerin imponierte.

Dramatisierungen sind heutzutage beliebt bei Dramaturgen. An den „Mann ohne Eigenschaften“ wagen sie sich dennoch nicht heran. Vielleicht weil sich die ausufernden Gedanken über den Möglichkeitssinn nicht so packend auf die Bühne wuchten lassen. Oder weil die Figurenkonstellationen einfach zu komplex sind. Oder weil Robert Musil mit seiner gesellschaftlichen Analyse über das „Kakanien“ kurz vorm Untergang auch nach 1.000 Seiten kein Ende finden konnte.

Jakub Kavin, der Leiter der TheaterArche, hat es dennoch versucht: mit einem für die freien Szene monströsen und multiethnischen Ensemble. Da die Herausforderung wie die Hybris nicht groß genug waren, zeichnet er nicht nur für die Regie und die abstrakte Bühne verantwortlich: Insgesamt gibt es vier „Menschen“, die Musils faustischen Antihelden verkörpern, aber Kavin ist der Haupt-Ulrich.

Das Steckenbleiben

Nach einer psychologischen Inszenierung stand ihm nicht der Sinn: Der Grundgedanke der Stückfassung (von Kavin zusammen mit Ute Bauer) sei es, Musils Protagonisten „als einen Menschen des 21. Jahrhunderts zu zeigen, der in den Möglichkeiten, die ihm sein Intellekt bietet, stecken bleibt und nicht, und wenn, dann nur zufällig, in jedem Fall aber ohne innere Beteiligung, ins bewusste Handeln kommt“.

Das ist prinzipiell kein schlechter Ansatz in Zeiten der Ich-Sucht und der Tendenz, sich nicht festlegen zu wollen. Die dreistündige Umsetzung (mit Pause) aber ermüdet schon bald. Denn Kavin ist immerzu in Bewegung (Ulrich ist ja ein Suchender), und auch seine Mitstreiterinnen ziehen verrenkungsreich ihre Bahnen. Echtes Spiel bleibt in dieser Performance die Ausnahme, ein Musil-Schlagwort nach dem anderen wird abgearbeitet.

Und dann herrscht plötzlich Partystimmung: Kavin veranstaltet eine rechte Wahlveranstaltung, bei der die Anhänger Schals und Kappen mit dem Schriftzug #wirzuerst! tragen. Diotima erscheint im Glitzerkostüm, der Graf schwingt große Reden über die Parallelaktion. Aber was ist eine solche heute überhaupt? Mit einer diesbezüglichen Frage entlässt das Team die Besucher in die Pause. Der Rücklauf war bei der Premiere erschütternd gering. Die Überschrift des ersten Kapitels – „Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht“ – könnte für den ganzen Abend gelten. Außer viel Enthusiasmus fiel nur die Poetry Slammerin Janina Lenauer auf: Ihr gelang eine echt coole Anknüpfung zu Musil mit zwei absolut heutigen, hinreißend vorgetragenen Reim-Texten zu den Themen Übergriff und Stagnation.

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