"Brennendes Haus“ im Theater Drachengasse: Die Bagage ist immer dabei

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Schweizer Dramatikerin Anaïs Clerc punktet mit literarischer Familienaufstellung.

Familien in der Provinz sind ein dankbarer Stoff für Generationen von Schriftstellern. Wie erfreulich, wenn man auf einen Text trifft, der ganz in seinen Bann zieht wie „Brennendes Haus“ der Schweizer Dramatikerin Anaïs Clerc. Vergangenes Jahr verschaffte ihr dieser den Sieg im Nachwuchswettbewerb im Theater in der Drachengasse. Das 20 Minuten kurze Stück arbeitete sie nun zu einer fast eineinhalb Stunden währenden literarischen Familienaufstellung aus. In verstörenden Szenen stellt sie drei Generationen einander gegenüber.

Der Großvater ist der Größte, die Enkelin ist die Kleinste. Wie ein Scharnier fungiert der Mittlere, der Sohn und Vater ist. Was diese drei Figuren eint, ist ihr Wunsch, aus den bedrückenden Verhältnissen auszubrechen. Clerc lässt dabei nichts aus. Ihre Stärke ist es, das Schreckliche nur anzudeuten. So gibt der Großvater erst im Alter Einblicke in seine düstere Jugend, als er dem übergriffigen Pfarrer zum Opfer fiel. Vor seiner Vergangenheit flieht er in sein „Traubenland“ und erliegt einem Leberschaden. Sein Sohn soll es einmal besser haben. Eine Karriere als Künstler wurde ihm verwehrt. Er wurde Anwalt. Die Kleinste zieht es zum Theater. Doch die Leiden ihrer Bagage, so nennt sie ihre Familie, schleppt sie wie eine erdrückende Last mit sich. Sie drückt als Einzige das Schreckliche direkt aus. Bereits als Kind bildete sie ihr Zuhause als „brennendes Haus“ ab.

Regisseurin Amelie von Godin kommt mit ein paar Sesseln und einer schräg gestellten Holzplatte als Bühne aus. Marie Nadja Haller verkörpert die Kleinste mit Intensität. Deutlich lässt sie die Beklemmung einer jungen Frau spüren, die um ihre Zukunft am Theater ringt. Skye MacDonald changiert genuin zwischen seinen Rollen als Vater und als Sohn. Alexander Gerlini stellt mit Verve den Großvater dar. Das Beste ist, wie dieses Trio Clercs Text zur Entfaltung bringt. Zurecht Jubel.

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