"Die letzten Tage der Menschheit" im Burgteater: Krieg der Medien

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„Die letzten Tage der Menschheit“ in der Regie von Dušan David Pařízek kamen zur Wien-Premiere.

Karl Kraus ist derzeit rasch bei der Hand, hat der Sprach- und Denkmeister doch treffscharf das vorletzte Mal analysiert, als den Menschen in größtem Rahmen der Verstand verloren ging: Kraus’ Szenen aus der ersten Katastrophe des 20. Jahrhunderts gemahnen, klar, an heute.

Und dann halt doch auch wieder nicht, wie das Heranwagen von Salzburger Festspielen und Burgtheater an die „Letzten Tage der Menschheit“ zeigt: Nach der Sommerpremiere auf der Pernerinsel hatte die Inszenierung von Dušan David Pařízek nun Wien-Debüt. Aus dem Mammutwerk schälte man eine Sicht heraus, die am schmalen Grat zur Übersimplifizierung entlangschrammt: Es sind demnach die Medien an allem Schuld gewesen, die jene Tölpel, die in die Kriegskatastrophe hineingetaumelt sind, erst zu dem aufgehusst haben, was sie wurden.

Also wringt die Kriegsreporterin Schalek mit laufender Live-Kamera aus den Österreichern zuerst die bekannten Kriegsphrasen („Serbien muss sterbien“) heraus, später dann, als alles schiefgegangen ist, eine Art Verzweiflungsshow aus dem Schützengraben.

Denn Diplomatie und Medien, darf Michael Maertens als deutscher Diplomat Sigmund Schwarz-Gelber gegen Ende sagen, sind jene Künste, die auf der Klaviatur der Menschheit spielen.

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Krieg der Klänge

Sieben Figuren stehen auf der Bühne, sie erzählen vielerlei: Dass die letzten Tage der Menschheit kein Ponyhof sind, ist dabei klar. Dennoch ist die nervöse Boulevardreporterinnen-Energie und die Lautstärke, die Marie-Luise Stockinger der Schalek über weite Strecken gibt, gar sehr hochtourig. 

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Maertens und Dörte Lyssewski bauen gemeinsam an einem Kartenhaus des rücksichtslosen Aufsteigertums und verhauen alles, einschließlich ihrer Ehe.

Branko Samarovski wird als Chramosta vom Nationalisten zum Profiteur zum Zerstörten, der vergeblich nach dem Schicksal seines Sohnes forscht.

Es ist insgesamt ein vielklingender Abend; es prallen insbesondere die Dialekte der durch die gemeinsame Sprache getrennten Bündnispartner Deutschland und Österreich aufeinander.

Peter Fasching spielt viele der Österreicher und mindestens genausoviele Klangquellen (von der E-Gitarre bis zum Alphorn), die dem Ganzen einen eindrücklichen Soundtrack geben. Teil davon ist auch jener laute Knall, der Kipppunkte der Inszenierung markiert: Aus einem riesigen Kubus fallen der Reihe nach die Seiten heraus, die Welt zerfällt. 

Am Schluss zerfällt nach dreieinviertel Stunden auch die Aufführung in eine lose Szenenabfolge mit zahlreichen Zwischenvorhängen, die den großen Bruch in Europa mehr darstellt als vermittelt. Immer wieder wird dabei gefragt: „Was empfinden Sie jetzt“? Eine Antwort, neben Betroffenheit über die Abgründe der Menschheit: Auch wenn die Massenmedien eine unrühmliche Rolle in Kriegszeiten gespielt haben, zeigen die Sozialen Medien von heute längst: Hassen, hassen können die Menschen von ganz alleine.

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