"Die schmutzigen Hände": Ein packendes Duell der Argumente

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Geglückter Saisonauftakt im Theater in der Josefstadt: David Bösch inszenierte "Die schmutzigen Hände" von Jean-Paul Sartre.

Eigentlich wären historische Erklärungen zu Beginn recht hilfreich gewesen. Denn Jean-Paul Sartre lässt in seinem Stück „Die schmutzigen Hände“, vom Theater der Josefstadt als „Politthriller“ vermarktet, in Illyrien, also auf dem Westbalkan, während des Zweiten Weltkriegs spielen. Und über das Kräfteparallelogramm rund um die Ustascha im Jahr 1943 weiß man heutzutage eher wenig. 

Aber David Bösch, Schauspieldirektor am Landestheater Linz, geht es in seiner Inszenierung, die am Donnerstag Premiere hatte, ohnedies nicht um Faktengenauigkeit, sondern um eine eher zeitlose Atmosphäre. So wird zwar immer von einem Revolver geredet, zum Einsatz aber kommt eine Pistole: Hugo spielt weidlich durch, wie er mit dieser seinen Chef abknallt. Diese Szene hat Bösch dazuerfunden, aber durchaus stimmig zur Vorlage. Denn zu sehen ist ein Spiel. Und alles ist ein Spiel, auch jedes brutale Machtspiel, in dem die Proponenten die Trümpfe in der Hand halten wollen. Es wird daher nicht nur auf der Bühne der Josefstadt gespielt, sondern unentwegt auch im Stück.

Nils Arztmann spielt einen schmächtigen Intellektuellen aus reichem Haus (die Arbeit nimmt ihm eine aufgesetzte Brille ab), der sich in der Rolle des Revolutionärs und Auftragsmörders gefällt. Deswegen hat sich Hugo als Decknamen „Raskolnikow“ gewählt: Die Hauptfigur in Fjodor Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“ sinniert über den „erlaubten Mord“ und macht die Probe aufs Exempel. Das Spiel aber beherrscht der junge Mann nicht: Er ist eher für den Hugo. Und ertränkt sein Selbstmitleid in Cointreau. Was nur im Theater von Erfolg gekrönt sein kann.

Seine Frau Jessica hingegen ist eine grandiose Spielerin, sie wickelt alle um den Finger. Sie spielt daher auch mit dem Bubi an ihrer Seite, der dem Chef nicht das Wasser reichen kann (der mehrfache Hinweis, dass man doch nur spiele, ersetzt die Inszenierung durch Interaktionen). Johanna Mahaffy spielt ihre schillernde Figur mit enormer Präsenz und Schlagfertigkeit: Diese mitunter Chansons singende Jessica bereut nichts. 

Muss sie auch nicht, denn sie verkörpert die weibliche Vernunft. Aber gleichzeitig verführt sie den Chef, der andauernd arbeitet, folglich schon etwas notgeil ist. Und so erfüllt das Würschtl Hugo dann doch seinen Auftrag – wenngleich, wie deprimierend, aus Eifersucht.

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Günter Franzmeier darf mit väterlicher Güte Überlegenheit ausspielen - im Duell der Argumente mit Nils Artmann als Hugo

Zuvor darf Günter Franzmeier als einsamer Stratege mit väterlicher Güte Überlegenheit ausspielen: Hoederer durchschaut seinen eingeschleusten Sekretär und stellt sich ihm. Er verrate nicht die Ziele der Partei, nur weil er eine Konzentrationsregierung eingehen will (und daher zum Abschuss freigegeben wurde). Denn ihm gehe es um das Wohl der Menschen – und nicht um Prinzipientreue.

Das Bühnenbild von Patrick Bannwart ist zwar ziemlich uninspiriert: Zwei bedrohliche Wände in Anthrazit mit einem Gang dazwischen, der so gut wie nicht genutzt wird, drehen sich andauernd in derzeit so beliebten Nebelschwaden. Aber ob des ungemein packenden Duells der Argumente vergisst man nach der Pause ganz darauf.

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