"bumm tschak" im Akademietheater: Kopflos in die düstere Zukunft

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Das neue Stück von Ferdinand Schmalz hatte Wien-Premiere: Der letzte Henker von Wien darf darin im neuen Rechtspopulismus wieder an die Arbeit.

Wir taumeln, in den rauchenden Ruinen der Spaßgesellschaft herumirrend, in eine postdemokratische Gesellschaft, in der allerlei gefährlicher, längst überwunden geglaubter Unsinn der Vergangenheit wieder en vogue wird. 

Nein, Sie lesen hier keine Zusammenfassung der Nachrichten, sondern den Inhalt des neuen Stücks von Erfolgstheaterautor Ferdinand Schmalz: In "bumm tschak" gibt es, inszeniert von Hausherr Stefan Bachmann, politische Panik in der Disco; ein Club ist hier sowohl letzter Rest einer freieren Vergangenheit als auch das Schafott, auf das die Demokratie zusteuert. Die Wien-Premiere im Akademietheater - Uraufführung war bei den Bregenzer Festspielen - bot schöne Sprache, der oftmals das letzte Ende des Satzes wegguillotiniert wurde, abstrakte Figuren, die das unzähmbare Biest des Populismus füttern, Technomusik und ganz schön viel Konzeptmassage.

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Inspiration für das Stück war Josef Lang (1855 - 1925), der letzte Henker Wiens. Der mutiert zum Discobesitzer in einer unangenehm nahen Zukunft: Sein Tanztempel ist ein Refugium für die gebeutelten Stadtbewohner nach einer nicht näher benannten Katastrophe (Umwelt? Krieg? Politik? Die Möglichkeiten sind leider vielfältig). Und wie die Menschen halt so sind, wählen sie in Extremsituationen extreme Politiker, diesfalls eine rechtspopulistische Kanzlerin, die die Grenzen des Machbaren gleich bei Amtsantritt verschieben will, indem sie die Todesstrafe wieder einführt. 

Hier also schließt sich der Konzeptkreis: Es erweist sich die düstere Vergangenheit als erschreckend anschlussfähig, der Henker darf wieder henken.

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Das Ganze schaut toll aus. Wie das so ist in der Disco, gibt es eigentümliche Glitzeranzüge (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) und Lichtspiele (Bernd Purkrabek). Die Bühne ist geteilt durch ein überdimensionales Schafott (um Mitternacht werden in der Disco aus Spaß Melonen geköpft, bevor es wieder ans echte Henken geht). 

Schief ist die Welt, schräg ist die Bühne, und das Personal ist irgendwo zwischen Scherenschnitt und Schablone aufgestellt: Max Simonischek ist ein tätowierter Zirkusdirektor mit offenem Sakko, Melanie Kretschmann eine aggressiv tanzende Kanzlerin, die das Leben als großen Deal-Abtausch versteht (sagen Sie nicht Trump zu ihr!) und letztlich, nach einem Moment der Schwäche, von ihrer eigenen Revolution gefressen wird. Stefanie Dvorak ist die strenge Tür an der Disco, die im Zeitlupenrap versucht, Politik und Party voneinander fernzuhalten und natürlich daran scheitert. Thiemo Strutzenberger spielt als flamboyanza den Dialogwiderpart zum Henker.

Kaum zu ertragen ist die brutale Sprache der beiden Systemschergen (Sarah Viktoria Frick, Mehmet Ateşçi), sie sind die allgegenwärtigen Gruselclowns des Populismus, die darin baden, endlich wieder alles sagen zu dürfen, was sich der Herr Karl einst verkneifen musste.

Aber eine ansprechende Fassade macht insgesamt noch keinen ebensolchen Theaterabend. Rasch beginnt sich das alles um die Sprache und damit sich selbst zu drehen, die Dynamik zwischen der Demonstrantin Flo (Maresi Riegner) und Josef etwa bleibt reine Behauptung, ebenso wie der Zusammenbruch der Kanzlerin und der Opfertod des "Zauberers" (Stefan Wieland). Der hydraförmige Populismus, damit geht man aus dem Abend, wird auch dann wiederauferstehen, wenn man sich gegen ihn wehrt. Köpfen ist also auch hierfür keine besonders geeignete Maßnahme. Freundlicher Applaus.

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