Drehen wir das Buch um: Wenn Sie den Klappentext dafür verfassen müssten, wie würde er lauten?
Unzuverlässige Reisen durch Zeit und Raum, hinter jeder Tür eine weitere Tür in eine Wunderkammer seltsamer Volten und Welten. Und Udo Jürgens.
Hängen die 21 Geschichten in Ihrem Buch in irgendeiner Weise zusammen?
Gerade Zahlen machen mich nervös wie eine Katze in einem Raum voller Schaukelstühle. Die Geschichten hängen insofern zusammen, dass durch sie die handelsüblichen Geschichtsbücher eine Art Fußnote oder Ergänzung bekommen. Wer weiß schon, dass Ludwig Wittgenstein der Erfinder des Smileys war?
Sie lassen Ihren Ich-Erzähler durch Raum und Zeit reisen – dabei trifft er Marvin Gaye bei einem Kirschbier. Wie kommen Sie auf so etwas?
Nicht nur das Kirschbier mit einer Soul-Legende im belgischen Ostende. Ich war auch in Helsinki dabei, als 1952 die drei Streifen von einer finnischen Sportartikelmarke (Karhu) zu einer deutschen Sportartikelmarke (Adidas) wechselten, für einen beschämend lächerlichen Preis und sich gleichzeitig die Mumins mit Tom of Finland trafen.
Es kommt im Buch auch zum E-Mail-Verkehr mit Elfriede Jelinek. Haben Sie Frau Jelinek schon einmal persönlich kennengelernt? Wenn nein, was würden Sie Frau Jelinek gerne fragen?
Ich würde mich mit Frau Jelinek über Hendrik Ibsen unterhalten, weil nicht nur sie eine Fortsetzung eines seiner Dramen geschrieben hat („Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte?“), sondern auch ich („Was geschah, nachdem Hedda Gablers Pistole Ladehemmungen hatte?“).
Haben Sie Bedenken, dass Sie eine der im Buch vorkommenden und noch lebenden Persönlichkeiten klagt?
Nein, mich kann man nicht klagen, weil ich selbst nicht klagen kann, dafür war ich einfach zu oft in Klagenfurt, und bin unverletzt und noch stärker als zuvor, und sogar reich beschenkt (Bachmannpreis) aus Klagenfurt zurückgekommen. Ein japanischer Freund von mir sagt immer Kragenfurt, und mir ist auch noch nie der Kragen geplatzt.
Ihr neues Buch liefert nicht nur einige Lacher, sondern hat auch seine melancholischen Phasen.
Melancholie ist einer meiner wirkmächtigsten Treibstoffe, daraus entsteht soviel Energie, weil man ja aus der Trauer irgendwie rauskommen muss, sonst geht man unter und ertrinkt, und diese Strategien sind kreative Prozesse, die mich faszinieren und mich an mir selbst überraschen, „Falling and Laughing“, wie mein Freund Edwyn Collins einmal sehr konzise sang, das ist eigentlich mein lebenslanges Motto.
Was ist das Verrückteste, was man je über Sie gesagt hat?
Tausendsassa. Eine Zuschreibung wie eine Bestrafung aus der Hölle.
Im Buch dreht sich viel um Musik und Musikwissen. Was ist eigentlich aus ihrer Band Die Mäuse geworden?
Mäuse gibt’s ja noch, wir nehmen gerade ein neues Album auf, allerdings unter dem Aliasnamen „Holger and the Balcony Dogs“, also von der Maus zum Hund.
Was wünschen Sie sich vom neuen Jahr, von 2025? Was sollte sich ändern?
Alles soll sich, aber nichts wird sich ändern, weswegen die 10 Punkte also nur Hypothese eines luziden Wachtraums ist:
1. Weniger oder kein Fleisch essen.
2. Nicht so laut sein.
3. Nicht immer alles glauben, was aus nicht gesicherten Kanälen einen anbrüllt.
4. Der Lauteste hat unrecht, so einfach ist das, mal einen Tag schweigen.
5. Oder zwei Tage schweigen. 6. Helga Rabl Stadler soll neue Bundespräsidentin werden.
7. Erwin Wurm bekommt das Clownsministerium.
8. Neues Geschäftsmodell: Skibazar und Shishabar fusionieren.
9. Gottfried Helnwein und Gottfried Kumpf werden Könige von Österreich, und das Land wird in Gottfried-Land umbenannt.
10. In dem absolute Schweigepflicht herrscht.
Zur Person: Tex Rubinowitz, 1961 in Hannover als Dirk Wesenberg geboren, lebt seit 1984 in Wien. Er ist als Zeichner (u. a. jeden Sonntag für den KURIER), Reisejournalist, Autor und Musiker tätig. 2014 gewann Rubinowitz mit dem Text „Wir waren niemals hier“ den Bachmann-Preis. „Dreh den Mond um“ (Ventil Verlag) heißt sein neues Buch , das im Mainzer Ventil Verlag erschienen ist. Auf der Verlags-Homepage (ventil-verlag.de) wird der Musiker Farin Urlaub (Die Ärzte) zitiert: „Ich freue mich, dass Tex eine noch größere Meise hat als ich – Respekt!“
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