Starke Filme im Wettbewerb in Cannes: Von Buh bis Bravo

Pierfrancesco Favino spielt Tommaso Buscetta in „The Traitor“ von Marco Bellocchio
Starke, emotionale und kontroversielle Filme sorgten für einen spannenden Wettbewerb in Cannes.

Schwach hat heuer der Wettbewerb in Cannes begonnen, stark ging er zu Ende. Die 72. Filmfestspiele an der Côte d’Azur boten großes Kino, entfesselten tief empfundene Gefühle und sorgten für wilde Kontroversen. Weitgehend unbekannte Newcomer gingen Seite an Seite mit (mehrfachen) Palmengewinnern in den Wettbewerb. Geboten wurden tolle Filmdebüts, ergreifende Lebensrückschauen und umstrittene Hollywood-Hommagen.

Die senegalesisch-französische Filmemacherin Mati Diop beeindruckte mit „Atlantique“, ihrem geisterhaften Erstlingsfilm aus Dakar; Pedro Almodóvar gab sich melancholischen Erinnerungen an sein Leben in „Leid und Herrlichkeit“ hin; Terrence Malick komponierte ein religiös inspiriertes Kinogedicht rund um den österreichischen Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter in „A Hidden Life“; und Quentin Tarantino spaltete sein Publikum von Buh bis Bravo mit seinem Exploitation-Film „One Upon a Time ... in Hollywood“. Junge Frauen und alte Männer zeigten Kino auf höchstem Niveau.

Der fast 80-jährige Grande des italienischen Kinos, Marco Bellocchio bewies die Souveränität des Alters in seinem starken Mafia-Drama „The Traitor“. In glänzend räudigen Bildern rollt Bellochio die Gerichtsaussagen von Ex-Mafioso Tommaso Buscetta auf, dessen Geständnisse die sizilianische Mafia in arge Bedrängnis brachten und in dem spektakulären Mord an Richter Salvatore Falcone im Jahr 1992 gipfelten.

Buscetta hatte sich ursprünglich geweigert, gegen die Cosa Nostra auszusagen. Doch als der Heroinhandel die „Werte“ der alten Cosa Nostra verriet, packte er aus.

Bellocchio konzentriert sich dabei stark auf die tumultartigen Gerichtsprozesse in den 80er Jahren: Ein gänzlich überforderter Richter bittet die anwesenden Angeklagten vergeblich um Ruhe, während diese sich gegenseitig durch die Gitterstäbe wüst beschimpfen. Der Gerichtssaal gleicht eher einer undisziplinierten Schulklasse, als einem ernstzunehmenden Prozess.

Fiese Visage

Bellochio vermeidet es dabei weitgehend, die Cosa Nostra und ihren Lebensstil – wie sonst oft im Kino – zu glorifizieren. Angeklagte Mafiosi sitzen mit fiesen, vulgären Visagen hinter ihren Sonnenbrillen; einzig Buscetta, dargestellt von dem umwerfenden, in Italien sehr populären Pierfrancesco Favino, entwickelt während seiner Geständnisse ein gewisses Charisma.

Twerking

Starke Filme im Wettbewerb in Cannes: Von Buh bis Bravo

Tanzen, bis der Hintern wackelt: „Mektoub, My Love: Intermezzo“

„Twerking“ nennt man jene Form des Tanzens, bei dem die tanzenden Personen (zumeist Frauen) mit Hüften und Hintern wackelt – und zwar in atemberaubendem Tempo. Dass Regisseur Abdellatif Kechiche eine Vorliebe für den Anblick von zitternden, weiblichen Popobacken hat, weiß man schon von dem ersten Teil eines Films, dessen Fortsetzung nun als „Mektoub, my Love“: Intermezzo“ das Publikum strapazierte. Über drei Stunden lang beobachtet Kechiche eine Gruppe Jugendlicher beim Tanzen in einem Club,wobei sich sein Kameraauge vor allem auf weiblichen Hinterteilen festsaugt. „Bonne film“ grinste ein Saalordner und sah feixend dabei zu, wie die Zuseher aus dem Kino flüchten.

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