Stand-Up-Comedian Oliver Polak: "Eigentlich sind wir die Terroristen"

Stand-Up-Comedian Oliver Polak: "Eigentlich sind wir die Terroristen"
Der „Endgegner“ für die Humorgrenzen, Oliver Polak, kommt mit neuem Programm nach Österreich.

Oliver Polak ist der Ärgste.

Er nimmt, eine Erscheinung im White-Trash-Trainingsanzug, auf der Bühne alles, was auch nur irgendwie durchtabuisiert ist, beim Krawattl und haut ihm eine tiefschwarze Pointe um die Ohren.

 

Und dann noch eine.

 

Der Beziehung zwischen Juden und Deutschen, etwa. Oder den miesen Passfotos der IS-Terroristen. Den optisch eng an die Schwulenästhetik anstreifenden Machos in den Shisha-Bars. Behinderten Menschen.

Man lacht, und im Schwindelgefühl löst sich zugleich jede Gewissheit darüber auf, was erlaubt ist (und von wem eigentlich). Es ist emotionale Tiefenreinigung.

Aber „kein Witz ist so krass wie die Realität“, betont Polak im KURIER-Interview vor seinen Österreich-Shows, die ihn mit dem Programm „Endgegner“ nach Wien (8. Oktober, Rabenhof), Graz (9. 10., Orpheum), Braunau (10. 10., Kultur im Gugg) und Hall in Tirol (12. 10., Kulturlabor Stromboli) führen.

„Gerade in Deutschland hört sich beim Humor der Spaß auf", sagt Polak auf die Frage, ob er bei einem Auftritt auch schon mal negativen Publikumsreaktionen ausgesetzt war. "Aber nur weil jemandem ein Witz nicht gefällt, ist er noch nicht im Recht. Es gibt ja auch Menschen, die gegen Flüchtlinge sind – das bedeutet auch hier nicht, dass sie im Recht sind.“

Terror ohne Gewalt

Denn mit dem recht haben ist es, hört man Polak an diesem Morgen zu, so eine Sache.

„Wir reden viel über Terroristen. Wer sind denn die Terroristen wirklich?“, fragt er. Terror „sind immer die anderen, sagen wir. Aber eigentlich sind wir die Terroristen. Wir wenden zwar aufgrund unserer Ideologie keine Gewalt an. Aber unsere Handlungen können für andere Terror bedeuten.“ Denn „wir kaufen unsere Klamotten in Bangladesch und unser Trinkwasser bei Nestlé, und wir wissen genau, was das bedeutet! Unsere Handys werden in chinesischen Gettos erzeugt, wo sich Menschen wegen der Arbeitsbedingungen umbringen. Wir kaufen unser Benzin von Despoten und Diktatoren. Der blinde Glaube an unseren exklusiven Wohlstand ist Terror gegen die Menschen, die sich das niemals werden leisten können.“

Und „wir werden uns die Frage stellen müssen: Was machen wir gegen alle diese Menschen, die so leben wollen wie wir? Unser Terror ist nicht die Gewalt, sondern der Glaube, dass unser Nicht-Terror gewaltfrei wäre.“

Ganz schön ernst

Das klingt doch ganz schön ernst für einen Stand-up- Comedian?

„Die Realität ist nun mal nicht immer so lustig“, sagt er. „Auf der Bühne das zu erzählen, was einen bewegt, steht in der amerikanischen Stand-up-Tradition. Meine Show ist 60 Minuten lang, wie ein Netflix-Special. Wenn man 50 Minuten die Leute zum Ablachen gebracht hat, hat Ernst auch Platz.“ Und Polak "will da kein Oberlehrer sein, ich sage nur, was ich mir denke. Ich bin einfach Stand-Up-Comedian."

 

Das ist ein großer Unterschied zu Comedy - und auch zu Kabarett, wo oftmals Gleichgesinnte zueinander reden. Kann man mit Stand-up-Comedy etwas bewegen? "Die Frage stellt man sich oft. Grundsätzlich: ja. Das sieht man bei Greta Thunberg. Aber die Frage bleibt, in welche Richtung das dann geht. Beim Ibiza-Video hat sich auch jemand gedacht: Ich will etwas bewegen. Aber hat es sich in eine gute Richtung bewegt? Das war ja weniger lustig als beängstigend. Oder auch kürzlich der Interviewabbruch des AfD-Chefs Höcke. Ihm wurde da ein Video vorgespielt, bei dem seine Parteifreunde Zitate bewerten sollten: Hitler oder Höcke? Klar ist das grundsätzlich lustig. Aber alle haben nur darüber gesprochen, dass er das Interview abgebrochen hat, nicht über die wirkliche Problematik, dass ein Grossteil der Deutschen immer noch Nazis sind."

Sein Humor jedenfalls hat mehr mit Wien zu tun, als mit dem, was man in Deutschland sonst oft antrifft. „Ich bin aufgewachsen mit Falco, Peter Alexander, Udo Jürgens, und vor allen Dingen mit der EAV“, sagt Polak. „Ich hatte eine EAV-Play-back-Band, als ich zwölf war. Die hatten sehr viele politische Lieder – und haben sich um nichts geschissen, wie ihr Österreicher sagt. Hinter dem Blödelpop waren die hochpolitisch. Mein Humor wurde primär durch die geprägt. Auch als die auftauchten, sagte jeder: Was ist das denn?“

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