„Pelléas et Mélisande“: Wenn die Musik seelische Abgründe aufreißt
Pelléas et Mélisande“: Rolando Villazón und Kate Lindsey
Von: Susanne Zobl
Bei der Wiederaufnahme von Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ an der Staatsoper demonstrierte das Haus am Ring einmal mehr seine Stärken als Repertoirebetrieb. Eine Stärke, die man nicht genug schätzen kann, sind die Wiener Philharmoniker. Alain Altinoglu, der bereits die Premiere der Neuproduktion 2017 dirigierte, reißt mit diesem Klangkörper verstörende Seelenabgründe auf, und um diese geht es in Debussys Vertonung von Maurice Maeterlincks Drama „Pelléas et Melisande“.
Golaud, ein reifer Mann, bringt aus Eifersucht seinen Halbbruder Pelléas um, weil sich seine Frau Mélisande von dem besser verstanden fühlt. Altinoglu lässt die Unerbittlichkeit dieser Musik deutlich hören, durch die lyrischen Passagen führt er so langsam, als würde er die Musik anhalten wollen. Das hat einen gewissen Thriller-Faktor, den das Ensemble in Marco Arturo Marellis Inszenierung mitträgt. Die fast zur Gänze mit Wasser geflutete Bühne ist Schloss und Grotte zugleich, Symbolismus pur.
Eifersüchtiges Ekelpaket
Simon Keenlyside drückt als Golaud mit seinem markanten Bariton alles aus, was diesen Mann bewegt, Verzweiflung, geifernden Sarkasmus, Feindseligkeit. Glaubhaft stellt er ein eifersüchtiges Ekelpaket dar, wenn er seinen Sohn Yniold (Hannah-Theres Weigl) aus erster Ehe dazu zwingt, Mélisande, seine zweite Frau, und seinen Halbbruder Pelléas auszuspionieren.
Filmreif sind seine Dialoge mit Kate Lindsey. Sie zeigt Mélisande als geheimnisvolle Frau, die Schlimmes durchgemacht haben muss. Furios steigert sie sich in Furcht und in eine nervenaufreibende Unnahbarkeit. Wie alle im Ensemble setzt sie auf absolute Wortdeutlichkeit und schöpft das breite Klangfarbenspektrum ihres Mezzosoprans in allen Lagen aus.
Rolando Villazón zeigt Pelléas passioniert als clowneske Gestalt. Eindrücklich setzt er auf feinsinniges Parlando. Er lässt sich in seinem vokalen Ausdruck auch nicht davon beeinträchtigen, dass er halb schwimmend ein Boot ziehen muss. Jean Teitgen und Zoryana Kushpler ergänzen sehr gut als Arkel und Geneviève und werden, wie alle anderen, bejubelt.
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