"Sommergäste" in der Josefstadt: Sehnsucht nach Leichtigkeit

Alle sind anlehnungsbedürftig: Alexandra Krismer (links) und die vielen Sommergäste  
Urlaubs-Soap im Biosphärenpark: Elmar Goerden pimpt in der Josefstadt Maxim Gorki mit den Problemen der Gegenwart auf

2019 war „Sommergäste“ von Maxim Gorki bei den Salzburger Festspielen zu sehen – in einer Inszenierung, die dem Publikum den Spiegel vorhielt: Bei Prosecco wurde geredet, geschmachtet und gestritten. Die chic gekleideten Frauen waren unglücklich, die Männer wollten das Leben genießen.

Nun ist die vorrevolutionäre Urlaubs-Soap im Theater in der Josefstadt zu sehen: Der Abend beginnt spritzig und spannend, wird aber immer langweiliger – und fände kein Ende, würde nicht nach drei Stunden 15 Minuten Alexandra Krismer auf einem Surfbrett zu „Good Vibrations“ zu neuen Ufern aufbrechen – diese Szene erinnerte an den grandiosen Schluss von John Carpenters Film „Dark Star“.

Regisseur Elmar Goerden hat zwar die Namen der Figuren beibehalten, das Stück aber komplett entrussifiziert. Es spielt nun auf dem Privatgrundstück eines Rechtsanwalts im Biosphärenpark. Also in der Gegenwart (trotz einer Szene mit Diaprojektor) – und möglicherweise gar in Österreich. Susa Meyer als genervte Olga muss sich jedenfalls sehr über ihre „G’frasta“, die Kinder, ärgern.

Goerden wollte es vielleicht Simon Stone gleichtun, der am Burgtheater zwei Stücke von Maxim Gorki zum hinreißenden, nach Wien verorteten Abend „Komplizen“ verschmolz: Auch er verwendet ein zeitgenössisches Vokabular und geht aus Aktualitätsgründen mitunter recht frei mit der Vorlage um.

Genderfluides Kind

Die ruppige Sonja (Katharina Klar) z. B. nennt sich genderfluid Alex. Deren Mutter (Martina Stilp) kommt damit nicht wirklich klar. Zudem muss sie sich darüber echauffieren, dass „wir in unserer Wohlstandsverwahrlosung“ dahinschimmeln: Um sich Luft zu machen, startet sie eine Publikumsbeschimpfung nach Art von Peter Handke. Trost findet sie bei Wlas: Claudius von Stolzmann kontert mit komischen Einlagen auf den Alltagsstumpfsinn und begeistert in einer Vielzahl an Kostümen.

Doch auch das übrige Ensemble wechselt ununterbrochen die Outfits (von Lydia Kirchleitner). Jeder und jede und jeder (15 Mitwirkende!) bekommt ein Solo. Michaela Klamminger etwa brilliert mit einer Ernst-Jandl-Performance, und Joseph Lorenz taucht andauernd als ertrunkener Onkel Doppelpunkt auf: stumm im Smoking, tropfnass, Wasser speiend, mit stoischer Ruhe. Anders als der ungute Suslow (Günter Franzmeier) und der oberflächliche Bassow (Michael Dangl) haben die meisten ihre Schwierigkeiten mit der Leichtigkeit des Seins: Unendlich mühsam schleppen sie einen Stein – jenen des Sisyphos – auf die Bühne (von Silvia Merlo und Ulf Stengl). Die Bühnenarbeiter hingegen machen das mit links. An Gags und pointierten Dialogen mangelt es also nicht. Es gibt fast schon zu viele.

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