So war "Macbeth" mit Asmik Grigorian bei den Festspielen

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Die letzte szenische Opernpremiere in diesem Salzburger Sommer wurde vom Publikum großteils gefeiert.

Die Salzburger Festspiele sind in diesem Sommer sehr schottisch, was in Anbetracht des kulturellen Reichtums jenes Landes und der besonderen Schönheit kein Fehler sein kann.

Nach Donizettis "Maria Stuarda", der Geschichte von der enthaupteten schottischen Königin (ein Erfolg im Großen Festspielhaus), geht es nun einem anderen schottischen Herrscher an den Kragen: Macbeth, durch Mord an Duncan an die Macht gekommen, sowie seiner Frau, die nie mit Vornamen, sondern nur Lady genannt wird. Gut 500 Jahre früher als das Leiden der Maria Stuart ist die auf Shakespeare basierende Geschichte vom Aufstieg und Fall des brutalen Ehepaares angesiedelt, an der Blutrünstigkeit hat sich aber über die Jahrhunderte offenbar wenig geändert.

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Zu sehen ist Giuseppe Verdis "Macbeth", wieder im Großen Festspielhaus, in der Inszenierung von Krzysztof Warlikowski, die vor zwei Jahren in Salzburg entstanden ist. Vielleicht muss man sie, wie einen schottischen Whisky, noch 12, oder 18 Jahre im Salzburger Eichenfass lagern lassen. Schon die zwei Jahre haben ihr gut getan.

Man versteht die Personenführung und den psychologischen Ansatz des großen Analytikers aus Polen besser. Ausgangspunkt für die Brutalität und Machtgier der Lady ist die Tatsache, dass sie keine Kinder kriegen kann (obwohl das bei Shakespeare nicht so klar ist). Während Macbeth zu Beginn mit Banco zu den Hexen geht (hätte er vielleicht nicht tun sollen, zu "self fullfilling prophecy" kommt es ja immer wieder), ist die Lady beim Gynäkologen und erfährt Schlimmes (ob Abtreibung, Fehlgeburt oder Unfähigkeit, schwanger zu werden, weiß man nicht). Im Laufe des Abends spielen Kinder neben der Lady immer wieder die zentrale Rolle. Ein Baby wird beim Bankett tot serviert, Leichen von Teenagern werden auf die Bühne gelegt, Gewalt gegen Minderjährige beschäftigt den Regisseur in dieser Produktion sehr.

Ein anderer zentraler Punkt ist (wie bei fast allen "Macbeth"-Produktionen) die Schwäche des Titelhelden, der ohne seine Frau gar nichts wäre. Hier ist der Unterschied allerdings in jeder Hinsicht eklatant.

Ästhetisch und teils tiefgründig sind die zahlreichen Videos, die allerdings auch vom Bühnengeschehen ablenken: Bäume im Wind (der Wald von Birnam), immer wieder Kinder, Ausschnitte aus Pasolinis "Das 1. Evangelium - Matthäus".

Einige Einwände gegen die Regie von Warlikowski bleiben bestehen: Es gibt so gut wie nie intime Momente zwischen den Protagonisten auf der Bühne von Małgorzata Szczęśniak, die das Festspielhaus im vollen Cinemascop-Format nützt. Macbeth und die Lady sitzen teilweise -zig Meter voneinander entfernt. Immer wieder werden riesige Kuben oder Tribünen hereingeschoben, die das Ganze noch breiter machen, statt es zu verdichten. Und Asmik Grigorian als Lady, elegant und im Stil der 1930er Jahre, muss während ihrer großen Szenen absurde Dinge machen wie mit Feuer hantieren, mit langen Kabeln - und sie muss sogar mit Stöckelschuhen über eine Bahnhofsbank klettern.

Das Kammerspiel, das "Macbeth" auch ist, der Psychokrimi mit der perfiden Anstiftung - hier sieht man das nicht.

Dafür hört man es fabelhaft: Dirigent Philippe Jordan weiß mit den Musikerinnen und Musikern der Wiener Philharmoniker gleichermaßen sensible Momente zu gestalten wie allergrößte Dramatik. Er verdichtet das Melodramma zur höchsten Spannung, der Farbenreichtum, die Differenzierung, die Präzision sind eine Freude. "Macbeth" wird unter seiner Leitung von Premiere zu Premiere besser (Jordan hatte schon eine an der Staatsoper und eben vor zwei Jahren jene in Salzburg dirigiert), die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit sind in jeder Phase überzeugend. Jordan weiß, wann er kraftvoll zubeißen muss, um dann wieder Generalpausen zu setzen, die zeigen, wie mächtig Stille sein kann. Eine erstklassige musikalische Leistung.

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Sängerisch beeindruckt Asmik Grigorian als Lady - sie gestaltet diese anspruchsvolle Partie, die vor allem Ausdruck und nicht nur stimmliche Noblesse fordert, noch besser als vor zwei Jahren. Ihre Präsenz ist enorm, ihre dramatischen Ausbrüche sind ebenso famos wie die Zerbrechlichkeit, die sie dieser Figur zu geben vermag. Phrasierung, Timbre, Spitzentöne - sie weiß mit allen Facetten zu begeistern, obwohl sie für die Lady Macbeth eigentlich (und zum Glück) viel zu schön singt.

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Vladislav Sulimsky ist ein solider Macbeth, mehr aber auch nicht, weil es ihm stimmlich an Dramatik und Power fehlt. Hier sitzt er am Ende im Rollstuhl und wird der Meute zur Lynchjustiz übergeben, gemeinsam mit seiner Lady, die in dieser Inszenierung wesentlich länger lebt als sonst.

Tareq Nazmi ist ein sehr guter, profunder Banco, Charles Castronovo forciert bei der Partie des Macduff allzu stark. Sämtliche kleinere Rollen sind gut besetzt.

Vorzüglich und mächtig singen die Mitglieder des Staatsopernchores, vor allem die Damen (als blinde Hexen in einer Art Altersheim).

Jubel für Grigorian, euphorischer Applaus für Jordan und das Orchester, verhaltene Zustimmung für die Regie, aber immerhin keine Ablehnung.

So gesehen alles gut gegangen beim als verhext geltenden schottischen Stück.

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