Skulpturengarten Alte Donau: Hellers Park erstrahlt im Dunkeln

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Ab Samstag ist die Uferlandschaft fürs Staunen und Erholen freigegeben. André Heller führte den KURIER durch die von ihm „kuratierte“ Märchenwelt.

Am linken Ufer der Oberen Alten Donau waren einst Schrebergärten. Nach dem Auslaufen der Pachtverträge im Jahr 2020 legte die Stadt Wien die Einzelgrundstücke zusammen. Zunächst wurden Liegewiesen angelegt, 2023 kamen Badestege hinzu. Und über die letzten Monate hinweg entstand auf dem 28.000 Quadratmeter großen Areal in Floridsdorf eine „konsumfreie Natur- und Kunstoase“.

Am Dienstagabend wurde der „Bank Austria Park am Mühlschüttel“ von Bürgermeister Michael Ludwig mit Trara eröffnet. Die Kosten betrugen, wiewohl der Gemeinderat 20 Millionen bewilligt hatte, nur deren acht. Es ist der erste Eingriff von André Heller in das Weichbild seiner Heimatstadt: Der Spektakelerfinder, Sänger, Träumer und Intellektuelle gestaltete den Skulpturengarten. Auf dem Gebiet ist der Tausendsassa mittlerweile Fachmann.

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André Heller vor der Übersichtstafel seines Skulpturengartens in Floridsdorf.

Am Montag führte er den KURIER durch sein Märchenland – immerzu entschuldigend, dass die 150 gepflanzten Bäume noch nicht so stattlich seien. Wie kam es überhaupt zum Heller-Park? Er rügt sogleich: „Das ist der Park der Bank Austria! Robert Zadrazil, bis August Chef der Bank, wollte so um 2019 ein Projekt von mir: ,Machen wir was!‘ Und ich antwortete: ,Einen Ort der Schönheit, der Zwischentöne, der Heilung, der Farben und Düfte, einen Ort der Inspiration ...‘“

„Ein Gottesgeschenk“

Doch so einfach war es nicht. „Mir ist ein Ort angeboten worden, der mir nicht gefallen hat. Beim Wasserturm auf dem Nordbahnhofgelände. Energetisch haben bei mir alle Alarmglocken gedeutet. Ich hab das der Ulli Sima erzählt, aber die war gar nicht zuständig.“ Doch die Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität rief ihn wenig später mit einem Vorschlag an. Heller: „Das war ein Gottesgeschenk.“ Die Fantasie begann zu sprühen.

„In all meinen Geschichten kommt meine Großmutter vor. Weil sie entscheidende Impulse gesetzt hat. Auch in diesem Fall. Denn ich habe als Kind nicht die Vorstadt gekannt. Sie ist mit mir hierhergefahren. Da gab es einen Abschnitt für die Kriegsversehrten. Ich hatte solche Verstümmelungen noch nie gesehen. Die Großmutter sagte: ,Schau hin! Das macht der Krieg aus den Menschen.‘“ Und so ist der Hellerpark ein Gegenentwurf zum Bösen und Tristen.

Insgesamt gibt es auf dem Parcours durch sanfte Hügel (eigens aufgeschüttet, denn das Gelände war, wie Heller sagt, „brettleben“) Kunstwerke von 13 Künstlerinnen und Künstlern zu bestaunen.

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Man müsste eine Drohne sein, um das „Blatt“ von Carmen Wiederin richtig zu sehen.  

Wir gehen durch einen Torbogen von der Hamburgerin Monika GilSing, die auch zehn bunte Fahnen im Wind flattern lässt, und kommen zu geschwungenen Parkbänken in Form eines Blattes. Als Vorlage diente eine Tapisserie von Matisse (in Hellers Wohnung): Das „Blatt“ ist wirklich gut nur von der Luft aus zu erkennen. Daher würde der Park einen Aussichtsturm vertragen. Heller widerspricht nicht. Er plant ohnedies weitere Ergänzungen in den nächsten Jahren.

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 „The Guardian“ des Duos Elmgreen & Dragset: Der Badewaschl kommt seinem Job nicht nach

Der Weg führt vorbei an einem Mann mit einem Quader aus Buchstaben als Rüstzeug (von Marek Zyga) und einem lesenden Badewaschl, das Fernrohr zu seinen Füßen. „The Guardian“ des Duos Elmgreen & Dragset ist für Heller eine Parabel: „Da hat einer Verantwortung. Er soll aufpassen, dass keiner ertrinkt. Aber er schaut nicht durchs Fernglas. So kommt mir oft die Politik vor.“

Amüsanterweise würde der junge Mann, wäre der Blick nicht gesenkt, den Donauturm sehen. Und dieser ist mit dem Logo der Bank Austria verziert. Sie ist die Eigentümerin aller Skulpturen – und stellt sie der Stadt Wien zur Verfügung. Eine hatte sie schon im Vorjahr verliehen: „Atemluft“ von Xenia Hausner stand vor dem Bahnhof von Bad Ischl als Kulturhauptstadt Europas.

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Xenia Hausner: "Atemluft"

Aber es gibt auch abstraktere Attraktionen, etwa die „Flüsterstühle“ von Moritz Mizrahi, „anständige Windradeln“ des Chinesen Era Tsao (Op-Art wie aus dem Design-Laden). Der „Vienna Mountain“ aus vier bunt bemalten Granitblöcken des Schweizers Ugo Rondinone ist das teuerste Werk des Parks, sagt Heller. Wie viel es gekostet hat? „Bankgeheimnis!“ Man muss ihn daher auch gar nicht fragen, wie viel er selbst für das Kuratieren bekommen hat.

„Das Glutwunder“

Dann kommen wir in die Märchenecke: Es gibt einen Bach mit einem figurativen Mosaikbett von Freund Peter Pongratz, der in einen Seerosenteich mündet. Edgar Tezak steuerte einen riesigen Quader aus bemalten Fliesen bei. „Die Geschichtenerzählerin“ steht in direktem Kontakt mit Hellers vier Meter hoher Skulptur „Die Wasserwächterin“, die ein mächtiges Windspiel in der einen Hand hält. Immer wieder umgibt diese ein malerischer Nebel. Denn es dampft aus 85 winzigen Poren des Reifrocks zerstäubtes Wasser.

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Konkurrenziert mit dem Donauturm: „Vienna Mountain“ von Ugo Rondinone aus Granit.

Noch ist es nicht dunkel geworden. „Aber wenn diese Dinger am Abend beleuchtet sind: Dann sind das Glutwunder!“ Sagt Heller. Also kommen wir nächtens wieder. Die „Wasserwächterin“ leuchtet rötlich – und erinnert lodernd an ein mystisches Lagerfeuer. Heller nimmt die Assoziation locker. Denn der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

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