Sind die Wiener Philharmoniker noch die Besten der Welt?

Ein Schreibtisch mit Aktenordnern, einem Stempel, einer Kaffeetasse und abgelehnten Dokumenten, über dem ein Paragraphenzeichen an einem Spinnenfaden hängt.
Seit dem Sommer wird vermehrt über die Entwicklung des Orchesters diskutiert. Eine Anfrage an das (fiktive) Kulturamt.

Sehr geehrtes Kulturamt!

Ich werde seit einiger Zeit immer wieder mit Berichten deutscher Journalisten konfrontiert, die sich an unseren Wiener Philharmonikern abarbeiten. Der Tenor ist oft ähnlich: Dieses Orchester sei nicht mehr das beste der Welt. Ja haben diese Menschen etwas auf den Ohren? Verstehen sie nichts von Musik? Ich kann das nicht ernstnehmen und beantrage daher bei Ihnen einen amtlichen Bescheid, der dokumentiert, dass keiner unseren Wienern das Wasser reichen kann.

Mit musikalischen Grüßen, O. N.

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Sehr geehrter O. N.,

vielen Dank für Ihr Schreiben und für Ihren Antrag, dessen Einlangen wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 20/2025). Wir können Ihre Emotionen gut nachvollziehen, weil weniges mehr zu polarisieren scheint als Ranglisten unterschiedlichster Provenienz, mögen sie nun die Kunst des Frisierens oder des Musizierens betreffen. Allerdings sind wir uns ganz nicht im Klaren darüber, was Sie mit „unseren Wiener Philharmonikern“ genau meinen und ob da nicht vielleicht eine gerade im Kulturbereich schwer argumentierbare Abgrenzung mitschwingt. Wir erinnern uns an einen Leserbrief, der vor vielen Jahren in der Krone erschien, und zwar mit der Frage, wie es sein könne, dass das Neujahrskonzert in Wiener Medien von Kritikern mit -ič, -vicz oder -nig am Namensende rezensiert werde. So weit sei es mit der deutschen Kultur gekommen.

Gehen wir daher lieber zur inhaltlichen Debatte und zu Ihrem Antrag über, den wir uns nach interner Prüfung abzulehnen gezwungen sehen. Die Wiener Philharmoniker per Gütesiegel zur Nummer 1 zu küren, wäre ebenso unsinnig, wie sie auf Platz 2 oder 27 zu verbannen. Allerdings scheint das qualitative Monopol des Orchesters nicht mehr gegeben zu sein. In Berlin, in Amsterdam, lange Zeit in München, auch in Cleveland und an Orten, die keine so klingenden Namen haben, wird fabelhaft musiziert, manchmal besser und lustvoller als in Wien.

Dazu kommt, dass die Philharmoniker ihre ins Jahr 1842 zurückreichende Tradition auch dahingehend pflegen, dass sich programmatisch, dirigentisch und auch in der Außenwirkung möglichst wenig ändern möge. Manche behaupten sogar, sie hätten keinen Chefdirigenten, weil sie weiterhin ihren eigenen Wiener Suppeneintopf kochen wollen. Faktum ist, dass sie in manchen Bereichen des Repertoires nach wie vor einzigartig sind und in anderen seltener Maßstäbe setzen. Allein dass es diese Debatte neuerdings gibt, ist aber ein Paukenschlag, den man im Wettstreit der Besten nicht überhören sollte.

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