Sigur Rós mit dem Patchwork Orchestra: Ausflug in eine Traumwelt

Sigur Rós auf Welttournee - zum Beispiel am 19. Juli 2025 in Nyon
Schon beim Reingehen in den großen Saal des Konzerthauses liegt dichte Atmosphäre in der Luft. Leise, schwebende Töne begleiten die Suche nach dem Sitz. Auf der Bühne: 41 Sessel mit Notenständern, dazwischen versteckt, E-Gitarren und Keyboards. Sigur Rós spielen hier heute nämlich kein normales Konzert. Die isländische Rockband um Sänger Jónsi Birgisson ist nach ihrem symphonisch aufgenommenen Album „Átta“ seit 2023 mit verschiedenen, auf den jeweiligen Kontinenten angesiedelten Orchestern wie auf Welt-Tournee.
Im ausverkauften Wiener Konzerthaus arbeitet das Trio mit dem Patchwork Orchestra zusammen. Gleich der erste Song zeigt, dass die gezogenen Streicher-Flächen, die das Orchester unter die sphärischen Kompositionen von Sigur Rós legt, perfekt mit dem Markenzeichen der Band – Birgissons mit dem Geigenbogen gespielte E-Gitarre – harmonieren.
Atemberaubend
Der 50-Jährige setzt mit den langen, hohen Tönen, die oft in Spannung zu den vom Orchester gespielten Akkorden gesetzt sind, die Akzente, die den Sound von feierlich lieblich in mystisch spannend heben. Und dann ist da ja noch Birgissons Gesang. Oft startet er Songs in normaler Tonlage. Aber wenn er später in seinen glockenhellen Sopran übergeht, wird der Sound atemberaubend. So, dass das Publikum häufig erst einmal gebannt still sitzt, bevor es sich traut, nach einem Song zu klatschen. Nur bei „Starálfur“, einem der bekanntesten Songs von Sigur Rós, bricht schon bei den ersten Tönen Jubel aus.
Zu der meditativen Stimmung im Konzerthaus trägt auch das spartanische Lichtkonzept bei: Überall im Orchester sind verschieden hohe Ständer mit Glühbirnen verteilt, die die Bühne je nach Songstimmung in rotes, grünes oder blaues Licht tauchen, und nur heller oder dunkler leuchten, aber während eines Songs selten die Farbe wechseln.
Ein kleiner Wermutstropfen: Während sich die Intensität der Musik in der ersten Hälfte langsam steigert, bleibt der Einsatz des Orchesters als Lieferant getragener Streicherflächen immer gleich. Erst nach der Pause kommt mit „Sé lest“, bei dem die Bläser die Polka-artige zweite Hälfte übernehmen, und dem poppigen Hit „Hoppípolla“ Abwechslung ins Klangbild.
Aber dadurch wird auch klar, warum Sigur Rós sich das für den Schluss aufgehoben haben. Der Rhythmus reißt einen aus der Traumwelt heraus, in der man sich gerade zwei Stunden lang so wunderbar wohlig dem Alltag enthoben gefühlt hat.
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