Sharon Eyal in St. Pölten: Tanz über Trauer und Weiterleben

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Choreografin Sharon Eyal zeigt Hommage an ihre Mutter „Delay of Sadness“ im Festspielhaus St. Pölten.

Von Silvia Kargl

Sharon Eyal zählt zu den meistgefragten Choreografinnen der internationalen Tanzszene. Warum? Das war beim Gastspiel ihrer in Frankreich beheimateten Compagnie S-E-D (Sharon Eyal Dance) mit ihrem jüngsten Stück am Samstag im Festspielhaus St. Pölten eindrucksvoll zu sehen.

„Delay of Sadness“ ist Adina Eyal, der verstorbenen Mutter der Choreografin, gewidmet. Doch Sharon Eyal zeigt keine biografischen Episoden aus dem Leben der Mutter. Vielmehr geht es um die Verarbeitung von Trauer und um das Weiterleben nach dem Verlust geliebter Menschen.

Eyal hat mit ihrer zeitgenössischen Ballettsprache einen eigenen Stil entwickelt, dessen Schwerpunkt bei einer skulpturalen Körpersprache liegt. Stark geneigte Oberkörper, auf klassischem Ballett basierender Tanz auf Halbspitze und die Gleichbehandlung von Tänzerinnen und Tänzern charakterisieren ihre Choreografien. In „Delay the Sadness“ geht es zusätzlich um ein „Verschieben der Traurigkeit“, also dem Heraustreten einzelner Module, die sich aus den stereotypen Bewegungsabläufen lösen.

Das knapp einstündige Stück beginnt zu einer eingespielten Originalmusik von Josef Laimon, die rhythmisch an Herzschläge erinnert. Noch treten die acht Tänzerinnen und Tänzer in perfekter Synchronität auf. Die in hautfarbenen Trikots gekleideten und gestylten Tänzer treten in einer Linie auf, wirken durch die stark ausgeprägten Gesten wie pulsierende Organe. Die Kostüme entwickelte Eyal mit ihrem künstlerischen Partner Gai Behar und der gemeinsamen Tochter Noa Eyal Behar. Diese Gesten reflektieren auch Trauer, Weinen, Verzweiflung, ein Ringen mit offenbar himmlischen Sphären. Eyal kreiert so ein emotionales Ambiente, für das es kein Bühnenbild, dafür aber umso mehr eine raffinierte Lichtregie braucht (Alon Cohen).

Persönliches Element

Vermeint man im plötzlich nicht mehr synchronen Agieren eines Tänzers zunächst noch einen Fehler zu sehen, so stellt sich dieses persönliche Element als der rote Faden des Stücks heraus. Der Einzelne bleibt zwar in der Gemeinschaft, hebt sich aber durch immer größer werdende Bewegungen von ihr ab. Das können stärker gebeugte Oberkörper sein, anders gelagerte Arm- und Handbewegungen sowie eigene Ausrichtungen dieser Körper im Raum.

Dabei finden Paare zusammen, die Nähe und Halt gebende Beziehungen aufbauen. In einer Reihe von ungewöhnlichen Pas de deux gibt es wenige, dafür umso stärker wirkende extreme Balancen und Hebefiguren.

Die Traurigkeit bleibt, wird aber von anderen geteilt. Eyal führt im Finale ihrer bemerkenswerten Choreografie alle zu einer Gemeinschaft zusammen, die durch das Teilen von Emotionen Unterschiede akzeptiert.

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