Schrille Eröffnung beim Steirischen Herbst

Eine Bühnenaufführung mit Tänzern, einem Mann mit Krone und einer glitzernden Dekoration.
Das steirische "Kunst-Feuerwerk" startete mit einer Show der belgischen Needcompany

Mit einem umfangreichen Programm der Needcompany ist am Freitagabend in der Grazer Helmut-List-Halle der SteirischeHerbst 2014 eröffnet worden. Die zahlreichen Uraufführungen und Auftragswerke, die in der ganzen Steiermark zu sehen sein werden, bezeichnete Intendantin Veronica Kaup-Hasler als "Kunst-Feuerwerk an allen Ecken und Enden."

Der Feuerwerks-Vergleich passte gut zur dramatisch rot ausgeleuchteten Halle, in der zur Eröffnung die übliche drückende Luft und das Gedränge der Besucher vorherrschten. Die Eröffnungsrede der Intendantin wurde diesmal auf eine Großleinwand übertragen. Veronica Kaup-Hasler umriss kurz das Programm, das 140 Projekte an 24 Festivaltagen bietet und von rund 600 Künstlern ausgeführt wird.

Unübersichtliches Treiben

Ein Teil davon, nämlich die Mitglieder der von Grace Ellen Barkey gegründeten Needcompany, gestaltete den gesamten Eröffnungsabend, der sich über mehrere Stunden erstreckte. "All Tomorrow's Parties I +II" nannte sich das Programm, in dem die Gruppe grenzüberschreitende Performance bot. In der Mitte der Halle war eine Plattform errichtet, das Publikum sollte sich eigentlich darum herum bewegen. Doch die meisten Besucher setzten sich lieber auf den Boden und genossen so das bunte, teilweise ziemlich unübersichtliche Treiben.

Bilder von der Eröffnung:

Tänzerinnen in glitzernden Kostümen führen eine Choreografie auf einer Bühne auf.

Ein Darsteller in einem extravaganten Kostüm auf einer dunklen Bühne.

Ein rot beleuchteter Künstler mit Krone und Mikrofon auf einer Bühne.

Eine Gruppe von Menschen steht auf einer Bühne mit glitzernden Kostümen.

Eine Gruppe von Tänzerinnen in farbenfrohen Röcken und Kopfbedeckungen tritt auf einer Bühne auf.

Eine Frau in einem glitzernden Kleid steht auf einer Bühne vor anderen Darstellern.

Eine Bühnenaufführung mit Tänzern, einem Mann mit Krone und einer glitzernden Dekoration.

Die Darsteller aus den verschiedensten Nationen zeigten einen Mix aus Tanz, Schauspiel, Gesang und Bühnenbildkunst, der immer wieder überraschte. Ob es zu Beginn die Turner waren, die ein Mittelding aus Gymnastik und militärischem Drill vorführten, die schrill kichernden, sich selbst persiflierenden Asiatinnen in bunten Reifröcken oder ein melancholischer Song mit schlicht-albernem Text - die Performance entwickelte sich stets weiter und gewährte immer wieder eine neue Sicht auf die kleine Bühne und auf die Darsteller, die man doch schon zu kennen glaubte.

Der zweite Teil nach einer längeren Pause war dann stärker musikalisch ausgerichtet, es wurde eine Art Lang-Version des Songs "All Tomorrow's Parties" geboten, wiederum begleitet von starken Bildern. Dazu viel Glitzer, schrille Musik, Videos und präzise Darsteller - damit war ein buntes, spannendes Eröffnungsprogramm gewährleistet.

INFO: Steirischer Herbst von 26.9. bis 9.10.2014.
www.steirischerherbst.at

Die Höhepunkte beim Steirischen Herbst 2014

Wie groß ist in Krisenzeiten die Bereitschaft zu teilen? Ist Nicht-Teilen noch eine Option, wenn das "Sharen" in den sozialen Medien zur primären Kulturtechnik geworden ist? "I prefer not to … share" antwortet darauf der Steirische Herbst in seinem Festivalmotto.

Eine Frau mit dunklen Haaren gestikuliert vor einer grauen Wand.
Für Intendantin Veronica Kaup-Hasler, deren Vertrag heuer bis 2017 verlängert wurde, ist das "ein sehr ambivalentes Thema, wo ganz unterschiedlich angedockt werden kann". Es behandle die große Perspektive eines Europa, "das als Gemeinschaft gegründet wurde und sich in Krisenzeiten von seinem Ethos entfernt". Bis hin zum ganz privaten Moment, "wo wir eigentlich wissen: Wir sollten ganz anders leben und zum Beispiel unsere Autos miteinander teilen", sagt Kaup-Hasler. Man beziehe sich somit auch auf Share Economy – und auf soziale Netzwerke, "die für viele zum Zwang geworden sind. Man das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, wenn man nicht teilt."

"Wahnsinnig neugierig" ist Kaup-Hasler in dieser Hinsicht auf die Aktionen des Publikums, das etwa die Facebook-Seite des Festivals "hacken" kann. "Es ist ein radikaler Akt des Teilens, wenn Leute in unserem Namen posten können".

Verweigerung

In der Hauptausstellung "Forms of Distancing", die im diesjährigen Festivalzentrum im ehemaligen Grazer Polizeikommando gezeigt wird, haben sich 15 Künstler mit Möglichkeiten der Verweigerung und des Rückzugs auseinandergesetzt. 90 Prozent sei dabei im eigenen Auftrag produziert worden und habe auch ein Weiterleben, sagt Kaup-Hasler.

"Wir verstehen uns als Produktionsplattform für jüngere Künstler, es geht uns um Entdeckungen". Daher setze man weiterhin nicht auf große Sprechtheater-Produktionen. "Damit reagieren wir auf eine veränderte Theaterlandschaft. Der Steirische Herbst muss sich als Marke von anderen Festivals wie den Wiener Festwochen unterscheiden und neue Formate entwickeln", erklärt die Intendantin.

Einschnitt

Einen Einschnitt gab es heuer für das Musikprotokoll, das Festival für neue Musik im Rahmen des "Herbst". Der ORF hatte seinen Budgetanteil für dieses Jahr von 180.000 auf 99.000 Euro reduziert. Der Steirische Herbst erhöhte daher seinen Budgetzuschuss von 80.000 auf 100.000 Euro. Das um einen Tag verkürzte Programm bietet trotz des Sparzwangs hochkarätige Klangkörper wie das RSO Wien, das Klangforum oder das Arditti Quartett.

Kaup-Hasler fordert dennoch, "dass diese Entscheidung eine einmalige ist" und nimmt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in die Pflicht: "Ein erster Schritt wäre ein klares Bekenntnis des ORF zu seiner Verantwortlichkeit. Allein, keine Gesprächstermine möglich zu machen, erzählt ja einiges über die Wertschätzung des Musikprotokolls."

"Herbst"-Intendantin Veronica Kaup-Hasler hinterfragte in ihrer Eröffnungsrede das diesjährige Motto des Festivals "I prefer not to... share". Während man in der Realität im Ernstfall dann lieber doch nicht teile, sei das "Nicht-Teilen im digitalen Heute nicht mehr vorgesehen", so Kaup-Hasler.

Der Steirische Herbst bezieht sich mit seinem Leitmotiv auf Herman Melvilles Verweigerer Bartleby, "weil wir zerrissen sind zwischen dem Wissen, dass wir mehr teilen und gleichzeitig auf mehr verzichten müssen, wenn wir die Spirale der Auseinanderbewegung der Reichsten und Ärmsten, wenn wir die Erderwärmung unseres Planeten stoppen wollen. Wir wissen schon lange, dass wir bei uns anfangen müssen, unsere Lebensweise, unseren Umgang mit Ressourcen, unsere Konsumgewohnheiten oder auch das Ausbildungs- und Karrieredenken für unsere Kinder einem ethischen Realitätscheck unterziehen müssen. Im Ernstfall teilen wir dann doch lieber nicht", erklärte Veronica Kaup-Hasler. "Auch Europa teilt nicht - und baut seine Festungen gegen Flüchtlinge aus."

Tauschbörsen

So einfach sei das mit dem Teilen nämlich nicht, so die Intendantin, denn "wir hier in Europa teilen sehr gerne - mit Menschen, die ihrerseits etwas anzubieten haben." Bezüglich der verschiedenen Share-Modelle von Couch-Surfing bis zu Car-Sharing gab sie zu bedenken, dass die Tauschbörsen aller Art auch nicht unproblematisch seien: "Auch hier kann die Umwandlung der egalitären und demokratischen Idee des Teilens zum Businessmodell kritisch hinterfragt werden, geht es doch oft darum, Dienstleistungen ganz spontan anzubieten, ohne die schnöde Belastung von sozialer Absicherung, Pensions- und Krankenversicherung. Ganz easy, unkompliziert werden da auch die Errungenschaften, die lange und hart erkämpft wurden, einfach ausgesetzt. Bei aller Freude über tolle Initiativen gilt es also den kritischen Blick zu bewahren."

Es gibt auch einen Bereich, wo das Teilen zum Imperativ geworden sei: "Denken Sie an alle sozialen Netzwerke, in denen Teilen 'Sharen' heißt. Es wird, zumeist freiwillig, aber oft auch unbewusst alles gesharet, egal, ob das digitale vis-a-vis seinen Teil privater Enthüllungen überhaupt abbekommen wollte. Das Nicht-Teilen ist im digitalen Heute nicht mehr vorgesehen." Hinterfragt werden soll daher auch, wohin man gehen könne, wenn man diesem kollektiven Sog entkommen will oder was Distanzierung überhaupt bedeute, erläuterte die Intendantin.

Auch die Eröffnung der Needcompany unter dem Motto "All Tomorrow's Parties" werfe diese Fragen auf. "Ein ambivalentes Projekt erwartet uns, eines, in dem das Spiel der Grenzüberschreitung ganz im Sinne des 'steirischen herbst' weitergetrieben und wieder einmal neues Terrain betreten wird. Ein langes Happening, ein Abend, der zu lustvollem Umherschweifen und konzentrierter Wahrnehmung gleichermaßen einlädt. Und zum Feiern dessen, was wir gemeinsam haben und teilen wollen", schloss Kaup-Hasler.

Der Frankfurter Dramaturg und Kurator Martin Baasch wird im Juli 2015 als Nachfolger von Kira Kirsch die dramaturgische Leitung des Steirischen Herbst übernehmen. Das teilte dessen Pressebüro am Samstag mit. Baasch arbeitete zuletzt in verschiedenen afrikanischen Ländern an Festivals und Ausstellungen und kuratierte am Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt.

Baasch wurde 1976 in Frankfurt am Main geboren und studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Komparatistik in Mainz und Paris. In Nigeria kuratierte er etwa 2012 das interdisziplinäre "Lagos_Live Festival", in Harare (Simbabwe) realisierte er die Ausstellung "Time To Pretend - Constructions Of Heritage, Memory & Belonging". In Kooperation mit dem Deutschen Pavillon im Rahmen der Architektur Biennale 2014 in Venedig koordinierte Baasch außerdem das Projekt "Performing Architecture". Von 2007 bis 2011 war er im Künstlerhaus Mousonturm Mitarbeiter der künstlerischen Leitung und Kurator des Festivals "Plateaux - Neue Positionen Internationaler Darstellender Kunst".

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