Schrauben, Kunst und Schwerkraft: Der Sammler Reinhold Würth
Der Milliardär zeigt Teile seiner Kunstsammlung im Leopold Museum. Mit dem KURIER sprach er über seinen Einfluss und die demokratische Dimension des Mäzenatentums
„Ich habe keine Fünf-Tage-Woche mit 37,5 Stunden“, sagt Reinhold Würth, als der KURIER ihn am Rande der Eröffnung der Schau „Amazing“ zum Gespräch bittet. „Heute zum Beispiel habe ich einen Tag mit 15 Stunden. Ich habe heute Morgen einen Besuch in einem meiner Betriebe gemacht, bin dann mit dem Helikopter zum Flugplatz, weil es zeitlich nicht anders ging. Jetzt bin ich pünktlich da, und abends geht es wieder zurück. Ich bin bald 88 Jahre alt und dankbar, dass ich so weit noch gut in Schuss bin.“
Die Kunst sei für ihn immer Ausgleich zu seiner Tätigkeit als „Kaufmann“ gewesen, sagt Würth, der durch den frühen Tod seines Vaters bereits als 19-Jähriger dessen Schraubengroßhandlung im süddeutschen Künzelsau übernahm. „Das Unternehmen habe ich von zwei auf heute 86.000 Mitarbeiter entwickeln können – mit meinen tüchtigen Mitarbeitern zusammen.“
Was der alles hat!
Auch in der Kunst gab es für Würth, so scheint es, kaum Grenzen des Wachstums: Rund 20.000 Werke zählt seine Sammlung, die an 13 permanenten Orten gezeigt wird – teils eigene Museen, teils an Firmenstandorte angedockte Kunsträume.
„Der Bekanntheitsgrad für das Unternehmen ist dadurch gewachsen, das darf man nicht unterschätzen“, sagt Würth. Der andere visuelle Markenbotschafter seiner Firmengruppe, der für Pin-up-Fotos bekannte Würth-Kalender, wurde als nicht mehr zeitgemäß erkannt und mit heurigem Jahr eingestellt.
Doch Würth war abseits der Imagepflege immer daran gelegen, seine Leidenschaft zu teilen. Den Umstand, dass keines seiner Kunsthäuser Eintritt verlangt, betont er mehrfach. „Ich empfinde unsere Museen und Kunstkabinette als die demokratischsten Einrichtungen, weil darin alle gleich sind – ob jung oder alt, ob reich oder arm“, sagt er. „Andere, die sich mit Kunst beschäftigen und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen, haben bestimmt das gleiche Gefühl. Es ist ein Narrativ, das dem alten Sprichwort folgt: ,Freude, die man gibt, kehrt ins eigene Herz zurück.’ Das ist vielleicht veraltet, aber umso mehr modern und zukunftsweisend.“
Wo Kunst sich sammelt
In der (zum Ticketpreis von 15 Euro) zu besichtigenden Ausstellung im Leopold Museum (siehe unten) wird nun offensichtlich, dass Würths Sammeltätigkeit mit zunehmender Dauer und Masse eine Gravitationskraft entwickelte, die nicht nur das Mäzenatentum, sondern auch den Lauf der Kunstgeschichte in Westeuropa mitformte.
Großaktionen des Verpackungskünstlers Christo finanzierte Würth ebenso mit wie die Gestaltung des Salzburger Stadtraums: Werke von Anselm Kiefer, Erwin Wurm oder Anthony Cragg, die die „Salzburg Foundation“ dort seit 2002 aufstellte, stehen im Besitz des häufigen Festspielgastes, der nach einer Steueraffäre, die er öffentlich oft bereute, auch die österreichische Doppelstaatsbürgerschaft annahm.
Mit Namen wie Lüpertz, Baselitz und Kiefer scheinen auch Sammlungen wie jene der Unternehmer Essl oder Batliner, heute Teil der Albertina, stellenweise wie im Geiste Würths geschaffen. Ähnlich wie man im 19. Jahrhundert nach den Vorlieben der Bankiersfamilie vom „goût Rothschild“ sprach, ließe sich für die 1990er und 2000er-Jahre im deutschen Sprachraum ein Würth-Geschmack konstatieren. „Das ist ja alte Tradition, dass Sammler Einfluss gehabt haben auf die Entwicklung der verschiedenen Kunstrichtungen und Kunststile“, sagt Würth dazu. „Insofern glaube ich schon, dass die Zusammenarbeit mit Künstlern und Galeristen, die für mich bereichernd war, zu einem kleinen Teil beigetragen hat, die Richtung der Kunst mit zu beeinflussen.“
Würth verkauft dabei seine Kunst nicht weiter: „Dafür hat er zu viel Respekt vor den Künstlern“, sagt der Galerist Thaddaeus Ropac, der mit ihm erstmals 1985 ins Geschäft kam. Würth hat Spekulationen auch nicht nötig, er kauft „seine“ Künstler lieber über lange Zeit hinweg. Er ist damit ein stabilisierender Faktor am Kunstmarkt, was wiederum dazu führt, dass er privilegierten Zugriff auf besondere Stücke hat.
Konkurrenz mit anderen Sammlern? „Ach nee, das hat mich nie interessiert“, sagt Würth. Nur bei Auktionen käme es halt drauf an, „wer den längeren Atem hat“. Vergangenen Dezember hatte Würth diesen im Rennen um ein Porträt von Max Beckmann. Er erhielt den Zuschlag um 20 Millionen Euro – der höchste Preis, der je bei einer Auktion in Deutschland gezahlt wurde.
Reinhold Würth (* 20. 4. 1935) baute den Schraubengroßhandel seines Vaters ab 1954 zu einer Gruppe aus, die heute 400 Firmen in 80 Ländern umfasst. Das Vermögen Würths und seiner Familie wird von „Forbes“ auf rund 28 Milliarden Euro geschätzt.
Die Ausstellung „Amazing“ ist bis 10. 9. im Wiener Leopold Museum zu sehen. Freier Eintritt an Donnerstagen, 18 – 21 Uhr
Im 2020 eröffneten, von Pritzker-Preisträger David Chipperfield geplanten „Museum Würth 2“ in Künzelsau/D läuft bis 13 7. eine große Ausstellung des britischen Malers David Hockney. Infos zu weiteren Standorten: kunst.wuerth.com
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